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Führung

Werte als Herzstück wirksamer Führung

Von Sabine Walter, Head of netzwerk managementberatung | coaching

Das Führungsverständnis verändert sich kontinuierlich; in den letzten 10-20 Jahren noch schneller als vorher. Die Anforderungen an Führungskräfte nehmen kontinuierlich zu, geht es doch darum, in einer VUCA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen über einen langen Zeitraum zu sichern. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit wertebasierter Führung. Ich zeige auf, worum es im Kern geht und wie Unternehmen von ihr profitieren.

Sucht man als Führungskraft nach einem Führungsmodell, an dem man sich orientieren kann, trifft man in der Fachpresse auf verschiedene Schlagworte, wie z.B.: „Digital Leadership“, „Agile Führung“, die „sinnorientierte Führung“ (purpose driven leadership) und „wertebasierte / werteorientierte Führung“. Worum geht es im Einzelnen? Während „Digital Leadership“ die Frage beantwortet, wie in Zeiten der Digitalisierung geführt werden sollte, „Agile Führung“ die Selbstorganisation von Mitarbeitenden und Teams fördert, hat die „sinnorientierte Führung“ einen etwas anderen Ansatz, um die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden zu fördern. Es geht um die Frage nach dem Sinn des Unternehmens, nach dem Sinn des eigenen Handelns.

In meinem Artikel „Die Essenz wirksamer Führung“ habe ich bereits unterstrichen, dass der Kern wirksamer Führung seit Jahrzehnten unverändert ist. Und dieser Kern, diese Essenz, beinhaltet Werte, die die menschlichen Grundbedürfnisse reflektieren:

  • Überleben
  • Sicherheit
  • Zugehörigkeit
  • Anerkennung
  • Selbstverwirklichung

Wie können Führungskräfte durch Ihr Verhalten diesen Grundbedürfnissen Rechnung tragen?

GrundbedürfnisFührungsverhalten, das diesem Bedürfnis Rechnung trägt
Überleben:Fürsorge, Menschlichkeit, Integrität, angemessene Vergütung zahlen
Sicherheit:Ehrlichkeit, Integrität, Vertrauen, Klarheit, Transparenz
Zugehörigkeit:Gemeinsames Zielbild, Vermitteln „Du gehörst hierher, weil…“,
Anerkennung:Wertschätzung des Einzelnen, Wahrnehmen und Entwickeln der Stärken
Selbstverwirklichung:Raum für Entfaltung geben, Selbstwirksamkeit fördern

Mitarbeiterführung in der VUCA-Welt

Werteorientierte Führung als Anker in unsicheren Zeiten

Mehr als bisher brauchen wir in der VUCA-Welt Führungskräfte, bei denen nicht die Fachkompetenzen, sondern die Persönlichkeit im Vordergrund steht. Um Organisationen in dieser komplexen, schnell drehenden, unsicheren Welt zu führen, sind Menschen gefragt, die in sich gefestigt sind und sich und anderen vertrauen (!).

Führung ist nicht länger selbstzentriert, sondern erfolgt aus einem gefestigten Selbst heraus – die Bedürfnisse des Umfeldes wahrnehmend. Dieser Schritt gelingt dann, wenn Führungskräfte das Führen als Dienstleistung und als Verantwortung Mitarbeitenden gegenüber begreifen.

Der Fokus der Führung muss sich radikal ändern. Im Mittelpunkt stehen die Menschen, die Teil des Teams und der Organisation sind. Die entscheidende Fragen, die sich bisher nur vereinzelt Führungskräfte stellen, sind: Was braucht mein Team, damit es sein Bestes gibt? Wie muss das unmittelbare Umfeld verändert werden, damit mein Team alles hat, um sich zu entfalten und nachhaltige Lösungen für die Probleme und Fragestellungen findet, mit denen wir konfrontiert sind?

Mal Hand aufs Herz. Denken Sie so?

Mitarbeiterführung in der VUCA-Welt

Führungsfokus neu setzen: Von der Gewinnmaximierung zur Teamzentrierung

In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder Führungskräfte, denen es schwer fällt angesichts steigender Rohstoffpreise, wegbrechender Lieferketten, instabiler Märkte, fehlender Fachkräfte, notwendiger Digitalisierung, der Forderung nach mehr Nachhaltigkeit in Prozessen und Produkten und dem unveränderten Gewinnstreben, im Vertrauen zu bleiben. Im Gegenteil – ich erlebe Führungskräfte, die versuchen, die Kontrolle zu behalten, in dem sie Wachstumsziele „zementieren“, Druck erhöhen, Kontrolle intensivieren und ins Mikro-Management rutschen und dabei eine Unternehmenskultur schaffen, die den menschlichen Grundbedürfnissen entgegenwirkt. Das hat zur Folge, dass Angst und Frust in der Belegschaft zunehmen und damit Innovation verhindert und Veränderung signifikant erschwert und eine agile Haltung unmöglich wird. Doch genau das Gegenteil ist erforderlich. Wir brauchen in der aktuellen Situation mehr denn je eine Führungshaltung, die wertebasiert und teamzentriert ist.

Was bedeutet eine wertebasierte und teamzentrierte Führung?

Vielleicht lässt sich die Frage nach der Bedeutung der wertebasierten und teamzentrierten Führung mit einem Satz verdeutlichen: Wertschöpfung durch Wertschätzung. Diese Wertschätzung lässt sich natürlich explizit ausdrücken (siehe Punkt 5), doch ist es auch nötig, die impliziten Möglichkeiten der Wertschätzung zu nutzen. Was gehört dazu?

  1. Ehrlichkeit zu mir und anderen
    Ich, Führungskraft, bin auch mit der aktuellen Situation überfordert. Ich bin an einem Punkt, an dem ich nicht mit Sicherheit weiß, welcher Weg der richtige ist. Ich bin an einem Punkt, an dem ich auch für viele der Fragestellungen und Probleme, mit denen wir konfrontiert werden, keine Lösung habe.
  2. Menschlichkeit
    Ich bin ein Mensch, genauso wie ihr, mit den gleichen Bedürfnissen, den gleichen Ängsten, Sorgen und Wünschen. Ich spreche zu euch als Mensch und ich respektiere und schätze euch als Menschen. Jeder von uns hat eine andere Rolle in dieser Organisation. Lasst uns überlegen, was es braucht, damit jeder seine Rolle gern und gut ausfüllen kann?
  3. Anerkennung der Istsituation
    Die Istsituation anzuerkennen, fällt vielen Führungskräften schwer. Sie glauben, das die Anerkennung des Status quo automatisch zu Stillstand führt. Das ist ein Irrtum. Wenn wir einen Zustand, so wie er ist, anerkennen, gewinnen wir Besonnenheit.
    Was gilt es anzuerkennen?
    – anerkennen, dass die aktuellen Lage schwierig und komplex ist,
    – anerkennen, dass die Zeiten überdimensionalen Wachstums vorbei sind,
    – anerkennen, dass andere auch unsicher sind
    – anerkennen, dass andere die perfekte Lösung auch nicht aus dem Ärmel schütteln,
    – anerkennen, dass Entwicklung und Veränderung Zeit brauchen
  4. Wertschätzung des Teams und jedes einzelnen Mitglieds
    Wahrnehmen und wertschätzen, welche Ressourcen in der Organisation vorhanden sind und was bisher im Team und in der Organisation geleistet wurde. Außerdem gilt es jedes einzelne Teammitglied in seiner Gänze wahrzunehmen. Was macht diesen Menschen aus? Führungskräfte, die diese Fähigkeit haben, erkennen, dass in Krisensituationen andere, und in der Regel, die wahren Stärken und Fähigkeiten von Menschen zu Tage treten. Um sicherzustellen, dass diese Stärken wirksam werden können, kann eine Neuordnung von Rollen innerhalb des Teams oder der Organisation sinnvoll sein.
  5. Selbstvertrauen und Vertrauen das Team / die Organisation
    Unsichere Zeiten lassen sich besser gestalten, wenn Selbst- und Beziehungsvertrauen ein Anker ist. „Was macht mich als Mensch aus? Auf welche Fähigkeiten kann ich sicher vertrauen?“ Nur ein gesundes Selbstvertrauen ermöglicht ein gesundes Beziehungsvertrauen, also ein gesundes Vertrauen andere Menschen; in deren Absichten und Kompetenzen. Wenn Führungskräfte ihrer Teammitglieder vertrauen, dass sie nur beste Absichten haben, dann vertrauen sie, dass alle ihr Bestes geben und gemeinsam Lösungen gefunden werden, die den Status quo verbessern.
  6. Teams befähigen, ihr Bestes zu geben (Entfaltung)
    Gerade in unserer Zeit, in dem es für alle Unternehmen extrem schwer ist, Personal zu finden, ist es oberste Priorität aller Führungskräfte, ein angstfreies Umfeld zu schaffen, in dem sich jeder entfalten kann und gern mit seinem vollen Potenzial einbringt. „Was braucht mein Team, damit es sein Bestes geben kann? Was kann ich als Führungskraft tun, um diese Rahmenbedingungen zu gewährleisten?“, das sollten die zentralen Fragen einer jeden Führungskraft sein.

Welche Chancen liegen in einer wertebasierten und teamzentrierten Führung?

Die Chancen, die in dieser Art zu führen, liegen, sind vielfältig. Nachstehend liste ich einige von ihnen auf:

  1. Mehr Loyalität der Mitarbeitenden
    In dem Moment, in dem Menschen sich als Menschen gesehen, respektiert und wertgeschätzt fühlen, steigt die Loyalität. Diese steigende Loyalität führt in einer vertrauensvolle Atmosphäre zu mehr Engagement.
  2. Mehr Engagement & Eigenverantwortung
    Dieses gestiegene Engagement zeigt sich in einem Mehr an Eigenverantwortung und weniger Fehlzeiten.
  3. Weniger Fehlzeiten
    Die geringeren Fehlzeiten wirken sich sowohl auf die Produktivität als auch auf die Stimmung im Team positiv aus. Außerdem führt die gestiegene Eigenverantwortung auch zu weniger Blindleistung und dadurch einer effizienteren Nutzung von Ressourcen.
  4. Weniger Blindleistung
    Doppelarbeit oder sinnfreie Tätigkeiten werden reduziert. Beides beeinflusst die Produktivität positiv.
  5. Mehr Kooperation und Austausch
    Loyalität, Vertrauen, Engagement und Eigenverantwortung führen zu mehr Kooperation und Austausch. Dadurch werden Kompetenzen, Perspektiven und Erfahrungen anders in Interaktion gebracht. Und da das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, nimmt dadurch die Qualität der Arbeitsergebnisse zu und auch die Qualität von Entscheidungen.
  6. Robustere Entscheidungen
    Eine komplexe, unsichere und volatile Welt erfordert es, Entscheidungen zu treffen, ohne, dass alle Informationen vorliegen. Entscheidungen sind also immer mit Risiko verbunden. Entscheidungen, die gemeinsam unter Nutzung der verschiedenen Perspektiven, in einem vertrauensvollen und loyalen Umfeld getroffen werden, sind robuster. Das bedeutet, sie sind nachhaltiger und werden von fast allen mitgetragen.
  7. Mitarbeitende als Botschafter ihres Unternehmens
    Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen, die sich einbringen und entwickeln können und letztlich gemeinsam als Team etwas bewegen und gestalten, sind wertvolle Botschafter ihres Unternehmens und tragen so aktiv mit dazu bei, Talente anzuziehen und für das Unternehmen zu gewinnen.
  8. Unternehmenserfolg als Resultante
    Der Erfolg des Unternehmens ist zweifelsohne die Folge.

Fazit: Mitarbeiterführung in der VUCA-Welt

Wertebasierte und teamzentrierte Führung – nachhaltigste Entscheidung in einer VUCA-Welt

Viele Unternehmen befinden sich in einschneidenden Transformationen. Wer sich in einer solchen befindet oder gar so eine geführt hat, weiß, dass dies ein zäher und langwieriger Prozess ist, bei dem nicht selten viele Mitarbeitenden und auch Führungskräfte auf der Strecke bleiben, Loyalität und Engagement also schwinden.

Werte sind das Herzstück wirksamer Führung. Deshalb, liebe Führungskräfte, fokussieren Sie sich auf das, was Sie am ehesten beeinflussen können: Ihre eigene Haltung und Ihr Verhalten. Wertebasiert und teamzentriert zu führen erfordert, dass Sie Führung als Dienstleistung verstehen und sich -das eigene Ego hinter sich lassend – in den Dienst Ihres Teams stellen und Ihnen das Umfeld schaffen, dass es ihnen ermöglicht, ihr Bestes zu geben.

Diese unternehmerische Entscheidung ist die nachhaltigste, die Sie in einer VUCA-Welt treffen können.

Haben Sie beim Lesen des Beitrags Impulse erhalten?

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