Herr Pescha, was lieben Sie an Ihrem Beruf?
Alles, weil es ein sehr vielfältiger Aufgabenbereich ist. Das beginnt mit dem ersten Kundenkontakt, bei dem es um die Frage geht: „Was braucht dieses Unternehmen oder dieser Mensch? Und wie kann ich ihm dabei helfen?“ Und das geht dann im zweiten Schritt mit einer intensiven Austauschphase weiter, bei der ich genau verstehen möchte, was das Unternehmen anbietet, welche Kunden oder Interessenten es ansprechen möchte und vor allem was wiederum die Kunden des Unternehmens davon haben, wenn sie sich für diese Leistung oder für dieses Unternehmen entscheiden. Was differenziert das Unternehmen von anderen Anbietern am Markt? Was kann es besonders gut? Welchen Spirit oder welche Kultur verkörpert es? Was ist das Herzstück dieses Unternehmens?
Und all dieses bilde ich dann in einer verständlichen Präsentation für das Internet, also in einer Webseite ab. Ich habe den Anspruch, jedem Unternehmen eine einzigartige Webseite zu gestalten, die neben aller Klarheit und Essenz auch das transportiert, was sich schlecht in Worte fassen lässt: nämlich die Stimmung, das Herzblut, der Geist, der dahinter steckt.
Um das zu erfassen und zu erspüren, stelle ich viele Fragen. Ich besuche die Unternehmen, laufe durch die Produktion oder den Handwerksbetrieb. Ich speichere Szenen ab, die ich später in einer Storytelling-Fotografie festhalten und für die Webseite nutzen kann. Um Kunden für Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens zu begeistern, reichen gut gemachte Portraits oder Produktbilder nicht aus. Es braucht vielmehr Bilder, die Geschichten erzählen. Sie zeigen beispielsweise den Handwerker bei der Arbeit in der Werkstatt und vermitteln dadurch, wie stark das Unternehmen selbst seine Produkte wertschätzt, welche Liebe zum Detail und wie viel Handwerkskunst in diesem Produkt steckt. Diese Wertigkeit gilt es zu erfassen und zu transportieren.
Das ganzheitliche Wahrnehmen von Menschen und Unternehmen und das Verbinden von Inhalt und Design, von Text und Fotografie ist für mich immer wieder aufs Neue spannend und liefert meinen Kunden einzigartige Webseiten; Webseiten, die Raum haben, um die wichtigen Inhalte so begeisternd zu vermitteln, dass ein Interessent sie sich gern anschaut und mit einem positiven Gefühl Kontakt zu diesem Unternehmen aufnimmt oder das Produkt bzw. die Leistung über den Online-Shop bestellt.
Sie haben zwei Aspekte Ihrer Arbeit angesprochen, das Recherchieren und das Gestalten. Welcher der beiden Teile macht Ihnen am meisten Spaß?
Beide Bereiche gehören zusammen. Der Inhalt spricht den Nutzer nicht ohne das passende Design an. Das Design bleibt luftleer ohne den Inhalt. Um diese in sich stimmige Einheit zu entwickeln, braucht es einen iterativen Dialogprozess zwischen dem Kunden und mir. Dinge, die ich vielleicht bei der ersten Recherche noch nicht erfasst habe, fallen im Designprozess auf. Dann frage ich nach und vertiefe oder erweitere die Recherche. Genau so können vielleicht Informationen rausfallen, wenn ich beim Designen merke, dass sie gar nicht gebraucht werden.
Der größte Spaß ist es aber für mich, Informationen zu einem roten Faden zusammenzuführen und in einfache, grafische Elemente zu übersetzen. Aber dieser Spaß ist nur dann da, wenn ich gute Inhalte habe, die es zu transportieren gilt.
Sie sind studierter Geograf. Was davon können Sie in Ihrem Beruf als Webdesigner anwenden?
Auch wenn es auf den ersten Blick zwei ganz verschiedene Dinge sind, kann ich sehr viel der Kompetenzen eines Geografen in meiner aktuellen Tätigkeit nutzen. Die Geografie ist ein sehr umfassendes Fach und vereint fast alle Naturwissenschaften. Als Geograf geht es darum, die Zusammenhänge zu verstehen. Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Wenn ich ein Phänomen, also eine Erscheinung in der Natur habe, geht es darum, diese Erscheinung zu verstehen. Warum ist der Hügel, z.B. eine Seitenendmoräne an einem eiszeitlichen See, so, wie er ist? Wo kommt er her? Wie ist er entstanden? Warum befindet sich auf dem Hügel ein bestimmte Vegetation? Und um diese Fragen zu beantworten, muss ich das Klima verstehen, ich muss Physik verstehen, mich mit landschaftsökologischen Aspekten auskennen und all das zu einer Einheit verbinden. In der Geografie geht es immer darum Phänomene, also komplexe Inhalte, zu verstehen und dann verständlich und grafisch darzustellen.
Nichts anderes mache ich in meiner jetzigen Tätigkeit. Die Phänomene sind meine Kunden.
Welche Parallelen gibt es zu dem, was wir tun, der Persönlichkeitsentwicklung?
Einige. Webseiten sind heute das Schaufenster eines jeden Unternehmens – egal wie groß. Sie sind aus meiner Sicht gerade in der aktiven oder auch passiven Neukundenakquisition das zentrale Element, um erstes Vertrauen herzustellen und für mich und mein Angebot Interesse zu wecken. Das funktioniert nur, wenn ich mich als Unternehmen bzw. bei Selbstständigen als Mensch zeige. Und um mich wertig und authentisch zu zeigen, muss ich meinen Selbstwert kennen und schätzen und authentisch sein.
Dieses Bewusstsein zu schaffen, ist oft bereits Teil meiner Beratungsleistung, bevor es zu einem Auftrag kommt. Gerade bei Start-Ups oder Menschen, die sich selbstständig machen möchten, beobachte ich dies. „Wer bin ich? Was biete ich dir? Und warum solltest du dich gerade für mich entscheiden?“, sind oft Fragen, die viele nicht klar beantworten können. Ich bin – ähnlich wie ein Coach – ein Spiegel und Begleiter. Ich sage, was ich verstanden habe und was noch nicht. Ich helfe also dem Kunden dabei, sein Profil zu schärfen und stoße dabei oft Persönlichkeitsentwicklungsprozesse an.
Eine andere Parallele ist die „externe Perspektive“. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel auch aus dem Bereich der Start-ups geben. Damit ich meine Aufgabe gut erledigen kann, muss ich genau verstehen, wie die Idee des Unternehmers zum Kunden kommen soll, also wie es gelingt, die Idee am Markt erfolgreich zu verkaufen. Und zwar nicht nur einmal, sondern mehrfach. Dazu setze ich die Kundenbrille auf und stelle so lange Fragen oder gebe auch Tipps und Hinweise, bis dieser Prozess glasklar ist. Und das führt auch dazu, dass das Leistungsangebot überarbeitet, Prozesse verändert oder Zielgruppen und Preisgestaltung überdacht werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Kontinuität. Persönlichkeitsentwicklung ist genau so wie die Weiterentwicklung einer Webseite nie abgeschlossen. Es gibt immer noch viele Unternehmen, die das Potenzial einer aussagekräftigen und wertigen Webseite verkennen. Da wurde vor 10 Jahren mal eine Webseite gemacht, und die ist heute immer noch so. „Warum ist das so?“, fragen sich dann Interessenten. „Kümmert sich niemand um diesen Bereich? Ist dem Unternehmen die Außenwirkung egal? Was ist dem Unternehmen noch egal? Haben sie keine Leute, die sich darum kümmern? Haben sie denn dann ausreichend Ressourcen, um meinen Auftrag abzuwickeln? Arbeiten sie überhaupt mit modernen Technologien oder sind sie vor 10 Jahren stehengeblieben?“ Im Bereich Webdesign, Technologien, mobile Endgeräte, Informations- und Kaufverhalten tut sich so viel. Da gilt es dran zu bleiben und spätestens aller zwei Jahre auch die Webseite zu überarbeiten, wenn ein Unternehmen dauerhaft am Markt mitspielen möchte.
Die vierte Parallele, die ich hier nennen möchte, hat mit mir selbst zu tun. In meiner Branchen entwickelt sich die Technologie sehr schnell weiter. Das heißt, ich beschäftige mich kontinuierlich mit Design-Trends, mit Technologien, mit sich ändernden SEO-Algorithmen und auch Trends im Informations- und Kaufverhalten und entwickle mich so kontinuierlich weiter. Anders könnte ich auch meinem Anspruch, einzigartige und aktuelle Webseiten zu entwickeln, nicht gerecht werden.
Wann kommen Ihnen die besten Ideen?
Meistens bringe ich Ideen aus der Nacht mit. Dann setze ich mich vor dem Frühstück hin, um diese Ideen zu skizzieren oder direkt auf einer Testseite umzusetzen. Die Nacht ist also mein kreativer Raum. Manchmal habe ich aber auch sehr spät abends noch kreative Einfälle, die ich dann notiere, um sie am nächsten Tag umzusetzen.
Wie wird Ihr Beruf im Jahr 2050 aussehen?
Aufgrund des schnellen technologischen Fortschritts ist mein Beruf einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen – heute und in Zukunft. Ich kann, Gott sei Dank, nicht sagen, dass ich vor 10 Jahren das Gleiche gemacht habe, wie heute. Im Gegenteil, ich habe mich ständig weiterentwickelt.
Wie wird das 2050 aussehen? Ich denke, die Aufgabe des Webdesigners wird mehr und mehr eine beratende werden, da wir für die technische Umsetzung immer mehr Tools zur Verfügung haben, die uns die „harte“ Arbeit des Programmierens abnehmen bzw. der Zeitaufwand dafür zurückgeht. Somit bleibt noch mehr Zeit für den vorbereitenden Teil. Also den Teil, in dem es darum geht, das Unternehmen wahrzunehmen, die Kernpunkte zu verstehen, das Profil zu schärfen und in eine klare Grafik umzusetzen.
Die Menschen, die die Fähigkeiten haben, sehr gut wahrzunehmen, die die Technik beherrschen und sich schnell in verschiedene Branchen und Unternehmen reindenken können und dann alles auch noch in eine verständliche, begeisternde Präsentation bringen können, werden gefragt sein.
Um diese Nachfrage auch bedienen zu können – und das gilt nicht nur für meinen Beruf – müssen wir aus meiner Sicht grundlegende Dinge in unserem Bildungssystem, angefangen bei den Schulen, verändern. Wir brauchen Menschen, die in der Lage sind vernetzt zu Denken, die Zusammenhänge erkennen, die Essenz aus komplexen Situationen rausfiltern, Verantwortung übernehmen und die gestalten. Wir brauchen Menschen, die Spaß daran haben, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und das Bewusstsein für eine Innovationsnotwendigkeit verinnerlichen.
Wenn uns das nicht gelingt, werden wir als Volkswirtschaft unbedeutsam werden.
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