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Praxiswissen Organisationsentwicklung, Praxiswissen Teamentwicklung

Mehr High Performance Teams auf C-Level

Von Markus Trost und Sabine Walter

Bei nationalen oder internationalen Mannschaften im Profisport ist es ein Muss, wenn man nachhaltig oben mitspielen möchte: Teamarbeit. In den Chefetagen der Industrie kommt es zuweilen zu kurz. Doch warum reicht es auf Vorstands- oder Geschäftsführungsebene nicht mehr, eine Gruppe kompetenter Alphatiere einzustellen? Warum braucht es auch auf C-Level ein gut funktionierendes Hochleistungsteam?

Teams auf C-level: Fallschirmspringer bilden einen Kreis - Organisationsentwicklung | Executive Coaching
Foto | Mauricio Graiki on Shutterstock

Dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg fordert Teamarbeit

Die Herausforderungen in unserer Gesellschaft werden immer komplexer. Die Abhängigkeiten zwischen variablen Faktoren nehmen zu. Es geht beispielsweise um Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation. Das gelingt nur in der Zusammenarbeit. Der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset spricht von Kooperenz, einer Mischung von Konkurrenz und Kooperation. Ziel ist es, nach seinen Worten, zukünftig nicht mehr, zu gewinnen oder zu verlieren, sondern möglichst lange mitzuspielen.

Die Corona-Krise und auch der Ukraine Krieg führen uns die Endlichkeit und Zerbrechlichkeit unserer Gesellschaft und unseres bisherigen Wirtschaftens vor Auge. Die Chance, die sich uns bietet, ist, unser Zusammenleben auf allen Ebenen der Gesellschaft neu zu gestalten. Radikale Impulse, Visionen und Innovation dazu können aus der Wirtschaft kommen. Dazu sind wahre Leader gefordert; und zwar Leader, die Teil eines High Performance Teams sind und es verstehen, solche Teams zu formen.

Die Praxis zeigt, dass es Unternehmen gibt, in denen die einzelnen Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes so wenig einander vertrauen und mit unterschiedlichem Blick auf die vermeintlich gemeinsamen Ziele schauen, dass Sitzungen dieser Gremien durch einen Moderator oder Mediator geführt werden müssen, um zu Entscheidungen und Ergebnissen zu kommen.

Wie soll sich in diesen Unternehmen eine Vertrauenskultur etablieren? Wie soll, ohne Vertrauen crossfunktionale Zusammenarbeit auf Bereichs- oder Teamebene möglich sein? Wie soll ohne Vertrauen in den einzelnen und untereinander um die beste Lösung getritten werden? Wie soll kontinuierliche Weiterentwicklung und dauerhaft wirtschaftlicher Erfolg möglich sein?

Gar nicht.

Was zeichnet High Performance Teams aus?

Hochleistungsteams zeichnen sich durch fünf elementare Faktoren aus:

  • Es herrscht blindes Vertrauen untereinander.
  • Alle brennen für das gemeinsame Ziel und tragen es bedingungslos.
  • Jedes einzelne Teammitglied übernimmt 100% Verantwortung für die Erreichung der Teamziele.
  • Der individuelle Erfolg wird voll und ganz dem Teamerfolg untergeordnet.
  • Konflikte werden als Chance gesehen, noch enger zusammenzuwachsen und sich zu entwickeln. Sie werden daher proaktiv angesprochen und so gelöst, dass das Team davon profitiert.

Wie kann man eine Gruppe von Vorständen oder Geschäftsführern zu einem High Performance Team entwickeln?

Teamentwicklung auf C-Level

Es gibt verschiedene Schritte, die in der Entwicklung eines Hochleistungsteams durchlaufen werden müssen. Der erste und wichtigste Schritt ist die Auswahl der jeweiligen potenziellen Mitglieder.

1. Leader mit einem hohen EQ auswählen

In einer Konversation mit Tom Kolditz, Head of Doerr Institute for New Leaders, ex-Professor für Leadership an der Yale Universität und ehemaliger Leadership-Verantwortlicher der Militärakademie Westpoint im Rang eines Brigadier-Generals erläuterte dieser auf einem Kundenforum von Odgers Berndtson in Austin, Texas, dass Leadership seiner Überzeugung nach zu 75% auf erlerntes Verhalten und nur zu 24%-31% auf genetische Komponenten zurückzuführen sei.

Geeignete Leader weisen nach Prof. Kolditz erstens in den kognitiven, zweitens in den Verhaltensvariablen und drittens im EQ entsprechende messbare Werte (letztere z. B. mittels Bar-On Test) auf.

Wenn ein ganz neues Team zusammengestellt werden soll, ist es wichtig, zuerst den Teamlead, also den CEO, zu rekrutieren, der dann zusammen mit den 2-3 für die Zusammenarbeit wichtigsten Personen in die Auswahl der weiteren Teammitglieder involviert ist. Jeder, der zum Team hinzukommt, ist eine wichtige Schlüsselperson in weiteren Auswahlprozess.

Nur, wenn alle Mitglieder des Vorstandes oder der Geschäftsführung miteinander ein gutes Bauchgefühl haben, stimmt der kulturelle und persönliche Fit. Odgers Berndtson stellt dies im Auswahlprozess auch durch eine Messung der Kultur im betreffenden Unternehmensbereich und der jeweiligen Kandidaten sicher.

Gute zusätzliche Erkenntnisse liefert auch eine psychometrische Profilierung des Wertesystems der einzelnen Kandidaten. Das sollte koheränt, aber nicht deckungsgleich sein, um unterschiedliche Perspektiven und kontroverse Gespräche bei der Suche nach der besten Lösung zu ermöglichen.

2. Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen

Wie die Forschung z.B. durch das Projekt Aristoteles von Alphabet zeigt, ist „Psychological Safety“, d. h. ein Urvertrauen in die Gruppe die wichtigste Voraussetzung für ein High Performance Team ist. Dieses Urvertrauen in die Gruppe, also das Gefühl, dass jeder Einzelnen sich so zeigen kann, wie er ist, ohne, dass dadurch Zugehörigkeit, Wertschätzung oder Sicherheit schwindet, ist eher vorhanden, wenn jeder Einzelne bereits mit einem unerschütterlichen Vertrauen geboren wurde und aufgewachsen ist.

Stephen M.R. Covey beschreibt in seinem Buch „Schnelligkeit durch Vertrauen“ ein gesundes Selbstvertrauen als Voraussetzung für ein gesundes Beziehungsvertrauen. Gesundes Selbstvertrauen geht mit einem gesunden Selbstwert, also dem „Ich bin etwas wert, egal was ich leiste“, einher. Das wächst in jedem Menschen in seinen ersten Lebensjahren heran, wenn das familiäre und soziale Umfeld dazu beiträgt.

Daraus resultiert, dass Vertrauensaufbau – bei jedem Teammitglied in sich und in die anderen Teammitglieder sowie die Interaktion miteinander die Grundlage ist, um darauf aufzubauen. In der Praxis erfolgt das durch eine Kombination von persönlichem Coaching und durch eine Teamentwicklung.

Damit diese ausgeprägte Vertrauensbasis auch Bestand hat, wenn es personelle Veränderungen im Team gibt, sind der Auswahlprozess, das Onboarding bzw. die Integration neuer Teammitglieder, aber auch der Prozess des Ausscheidens von zentraler Bedeutung. Jeder dieser Prozesse braucht Zeit und das Engagement des ganzen Teams. Gleichzeitig fordert es aber auch eine sehr große Veränderungsbereitschaft von jedem Einzelnen. Diese Veränderungsbereitschaft wiederum fällt leichter, weil so ein großes Vertrauen in das Miteinander und jeden Einzelnen vorhanden ist.

3. Zielbild entwickeln, für das alle brennen

Viele Vorstände und Geschäftsführer führen regelmäßig Strategieworkshops durch. Doch wie oft brennen sie wirklich für das, was sie da erarbeiten? Selten. In seinem Buch „Wie Träume wahr werden“ beschreibt Gerald Hüther den Weg von einer kleinen Gruppe von Menschen, die am RAAM, dem weltweit längsten Fahrradrennen quer durch die USA, teilnehmen wollen hin zu einem Hochleistungs-(Amateur)team, das dieses Rennen gewinnt. Durch diesen harten Prozess des Teambuildings, dem Ausscheiden von wertvollen Mitgliedern, dem Integrieren neuer, der harten Vorbereitung, den Entbehrungen über Monate hinweg, den Hürden vor dem Rennen, den Rückschlägen im Rennen, dem Austragen und Lösen von Konflikten, dem Überwinden persönlichen Niederlagen und Enttäuschungen; durch dieses und noch viel mehr wurde das Team getragen von ihrer Vision, für die alle brannten, hinter der alle standen und deren Erreichen alles – auch das Privatleben – über Monate untergeordnet wurde.

Dieses Zielbild war neben dem Vertrauen der „Kleber“ des Teams. Und er war so stark, dass das Team nach dem Erreichen seines Ziels, nach dem Gewinnen des RAAM, auseinanderfiel.

Unternehmen, in denen das Vorstands- oder Geschäftsführerteam, diesen Zustand erreichen, können Berge versetzen. Bisher haben nur Einzelne Führungspersönlichkeiten wie beispielsweise Steven Jobs oder Elon Musk solch eine Strahlkraft. Das hat zur Folge, dass die Unternehmen, denen sie vorstanden, nach dem Ausscheiden dieser „Magneten“ an Kreativität, Innovation und auch an wirtschaftlichem Erfolg zumindest einbüßen.

4. Rollen und Verantwortlichkeiten klar definieren

Die größten Reibungsverluste und Konfliktpotenziale entstehen durch unklare Rollen und Verantwortlichkeiten. Deshalb ist es eine zentrale Aufgabe des Teams, diese klar zu definieren. Idealerweise werden sie an den Stärken des jeweiligen Teammitglieds ausgerichtet. Da es auf Vorstands- oder Geschäftsführungsebene nicht mehr so stark um fachliche Stärken geht, liegt der Fokus in einer guten Integration der persönlichen Stärken und vor allem der Leadership Skills in den fachlichen Verantwortungsbereich.

Um auch auf C-Level die Potenziale auszuschöpfen, die entstehen, wenn man im Team arbeitet, sollte das Team definieren, welche Fragestellungen im „Tandem“ also mit einem kollegialen Sparringpartner erarbeitet bzw. entschieden werden.

Entscheidend ist hier auch der Blickwinkel der Akteure: Gelegentliche und ggf. auch zufällige fallweise Überlappungen sollten nicht als Angriff eines anderen Vorstandsmitglieds auf den eigenen Verantwortungsbereich verstanden werden, sondern als Chance, eine Herausforderung gemeinsam besser zu meistern.

5. Streiten lernen

Eine konstruktive Streit- und Konfliktkultur ist Ausdruck von Vertrauen und Teil des Prozesses für die beste Lösung. 

In einer konstruktiven Streit- und Konfliktkultur haben alle das gemeinsame Ziel und das Wohl des Teams oder den Erfolg der Sache im Blick. Ziel einer konstruktiven Auseinandersetzung ist es, Unterschiede zu überwinden und einen gemeinsamen Nenner neu zu definieren.

Wie können Vorstands- oder Geschäftsführungsteams ihre Streitkultur verbessern?

  1. regelmäßig einen geschützten Raum für eine konstruktive Auseinandersetzung schaffen
  2. ein einziges Debattenthema definieren
  3. vor Beginn der Debatte ein gemeinsames Ziel definieren
  4. Spielregeln definieren, wie z.B. ausreden lassen
  5. ggf. einen Moderator nutzen, der durch die Debatte führt und für die Einhaltung der Spielregeln und die Visualisierung der Zwischenergebnisse sorgt
  6. die eigene Konfliktfähigkeit z.B. mit Hilfe eines persönlichen Coachings ausbauen

Prof. Tom Kolditz empfiehlt zwei Methoden, um sich in einem Führungsgremium richtig zu „challengen“:

  • Machen Sie ein Pre-Mortem anstelle eines Post-Mortems! Finden Sie mit diesem Ansatz die verwundbaren Stellen Ihrer Organisation. Lassen Sie jeden die Frage beantworten „Für welches katastrophale Versagen könnte unsere Organisation möglicherweise anfällig sein?“. Sammeln Sie die Ideen ein, lesen Sie sie vor und clustern Sie sie zu Problemfeldern, die sie dann priorisieren und mit Gegenmaßnahmen belegen.
  • Führen Sie einen „Red Team“-Prozess durch! Setzen Sie sich mit den Kolleginnen und Kollegen an den mit einem Pre-Mortem Prozess entstandenen Plan und prüfen Sie kritisch: „Wo wird dieser Plan schiefgehen? Wo sind seine Fehler?“. Sammeln Sie diese, bewerten Sie sie und korrigieren Sie den Plan entsprechend!

Was sind Folgen, wenn auf C-Level kein wirkliches Team agiert?

Unsere Erfahrung im Umgang mit Vorständen und Geschäftsführern zeigt, dass es immer noch zu wenig High Performance Teams auf C-Level gibt. Die Folgen in den und für die Unternehmen sind vielschichtig:

  • Angst- statt Vertrauenskultur
  • Mangelnde Kooperation auf den mittleren und unteren Ebenen
  • Schlechte Unternehmenskultur, die zu Fluktuation und innerer Kündigung führt
  • Divergierende Ziele, die Produktivität kosten
  • Fehlende Innovation und damit schwindende nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit
  • Wirtschaftliche Einbußen 

Fazit: Hochleistungsteams auch bei Vorständen und Geschäftsführern gefordert

Um die vor uns liegenden gesellschaftlichen und unternehmerischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert und nach der Corona-Krise zu meistern, braucht es vor allem auch auf C-Level echte Hochleistungsteams, in denen die Mitglieder einander vertrauen und die eigenen Karriere und die eigenen beruflichen und finanziellen Ziele dem Gesamtziel und der Unternehmensvision unterordnen.

Aufsichtsräte und Gesellschafter sind mehr denn je gefordert, bei der Besetzung der Vorstände und Geschäftsführungsgremien auf die persönliche Kompatibilität zu achten und aktives Teambuilding zur Bedingung zu machen. Wir, Odgers Berndtson und netzwerk managementberatung | coaching, begleiten erfahren solche Prozesse.

Markus Trost ist Partner bei Odgers Berndtson Executive Search

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