Management Summary
Das Gallup Institut liefert mit seinem jährlichen Engagement Index wertvolle Informationen zur Mitarbeiterbindung und Führungsqualität in Deutschland.
Auch wenn sich der Trend der letzten Jahre fortsetzt, so ist das Ergebnis doch erschreckend. Nur 9% der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland zeigten im Jahr 2024 eine hohen emotionale Bindung in ihr Unternehmen.
Ein zentraler Grund für dieses Ergebnis ist die Qualität der Führung und der direkten Führungskräfte. In meinem Artikel wage ich die These, das dass dieser Teil für eine Unzufriedenheit steht, die tiefer liegt und dazu einlädt, die Art und Weise der Zusammenarbeit in der Arbeitswelt neu zu denken.
Liebe Führungskräfte, jetzt ist es öffentlich. Das, was die Arbeit der letzten Monate zeigt und was viele von Ihnen, viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und viele Berater und Führungskräftecoaches spüren: Die emotionale Bindung der Mitarbeitenden an ihre Unternehmen ist so niedrig wie nie.
9% der Arbeitnehmenden waren, laut Gallup, 2024 noch emotional hoch an ihren Arbeitgeber gebunden. Der dadurch entstandene volkswirtschaftliche Schaden übersteigt 100 Milliarden Euro. Ein zentraler Grund ist das mangelnde Vertrauen in die Führung und die Führungskräfte.
Das ist, wie man in Bayern sagt, eine saubere Watschn. Schließlich ist die Arbeitslast so hoch wie nie. Gepaart mit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unsicherheit führt das viele Führungskräfte an und sogar über ihre eigene Belastungsgrenze.
Bei einigen Führungskräften herrscht Unverständnis über diese Bewertung und der Vorwurf, dass die junge Generation gar nicht mehr arbeiten möchte: „Egal, was sie und die Unternehmen tun, es bringt nichts.“.
Was, liebe Führungskräfte, wäre, wenn wir gemeinsam einen anderen Blick auf die Situation einnehmen würden?
ARbeit neu denken – These: Festangestellt ist out.
Ich lade Sie ein, sich auf folgendes Gedankenexperiment einzulassen:
Mal angenommen, die Unzufriedenheit mit der Führung wäre nur der sichtbare Teil der Unzufriedenheit. Der Teil, der sich artikulieren lässt, weil er im Außen wahrnehmbar ist.
Jetzt fragen Sie vielleicht. Ok, was wäre dann der unsichtbare Teil?
Mal angenommen, der unsichtbare Teil dieser Unzufriedenheit wäre der Teil in uns, auch in uns Führungskräften, der das System der Arbeitsweise, grundsätzlich in Frage stellt, weil es – so wie es ist – einengt. Weil es nicht ermöglicht, das, was uns eigentlich ausmacht in vollem Umfang in unsere Tätigkeit einzubringen.
Was wäre, wenn festangestellte Mitarbeit in ihrer bisherigen Form ausgedient hat? Wenn es eher darum geht, in sich verändernden Kooperationen problembezogen mit den individuellen Stärken und Talenten wirksam zu sein? Unternehmerisch. In Eigenverantwortung.
Was wäre, wenn es darum geht, starre Strukturen und Systeme aufzubrechen und flexibler zu machen, um dadurch automatisch Freiräume zu generieren, die Kreativität entstehen lassen, um aus dieser Kreativität heraus wieder wirksam zu sein? Was wäre, wenn Regeneration und Schaffenskraft einem anderen Rhythmus folgen müssten, um all das verarbeiten zu können, was in unserer schnelllebigen Welt verarbeitet werden muss; um dann mit den gewonnenen Erkenntnissen neue Impulse setzen zu können?
Tja, was wäre dann? Einige von Ihnen werden diese Gedanken vielleicht weiterspinnen. Andere werden den Kopf schütteln und fragen:“ Ja und, wie lösen wir jetzt das Problem von Frust und innerer Kündigung? Und welche Impulse ziehe ich für meinen Führungsalltag daraus?
Führung erfordert Zeit, Dialog und Wertschätzung – für sich und andere
Lassen Sie es mich konkret machen:
- Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenzulernen und zu verstehen, wer sie sind. Was macht sie aus? Welche Talente haben sie – unabhängig von Unternehmen, Rolle und Aufgaben – unabhängig von Ausbildung und Lebenslauf.
- Fragen Sie sie, welche Probleme sie gern lösen würden? An welchen unternehmerischen oder gesellschaftlichen Herausforderungen würden sie gern mitwirken? Was würden sie gern verändern?
- Schaffen Sie den Raum dafür, dass dieses Gestalten im vertrauensvollen Rahmen möglich ist – teamübergreifend, bereichsübergreifend, unternehmensübergreifend.
- Übertragen Sie Entscheidungskompetenz dorthin, wo die Entscheidungen getroffen werden müssen.
- Öffnen Sie den Raum für regelmäßigen und vertrauensvollen Dialog.
- Lösen Sie sich von festen Wachstumsvorgaben – diese sind in einer Welt begrenzter Ressourcen nur ein ideenloses Fortschreiben des Altbekannten. Wenn Unternehmen Probleme innovativ lösen – ist Wachstum eine Folge davon. Aber genau das erfordert einen Perspektivwechsel. Es erfordert einen Umgang mit Unsicherheit und Ängsten. Es erfordert einen Switch aus „Business as usual nur mit noch mehr Druck“ hin zu einem Blick aus der Metaperspektive auf das, was eigentlich das Potenzial des Unternehmens und damit der Menschen dieser Organisation ist. Es erfordert ein Lösen von Abhängigkeiten des Finanzmarktes und eine Neudefinition von Shareholder Value.
- Und im Alltag erfordert es ein Öffnen des Blickes für die Menschen in Ihrem Umfeld, Wertschätzung für jeden Einzelnen – unabhängig von seiner Rolle. Wertschätzung des Menschen. Es erfordert einen kontinuierlichen Dialog. Es erfordert gemeinsam die Fragen zu entwickeln, die wirklich relevant sind, um Stück für Stück das System zu verändern. Es erfordert ein Fahren auf Sicht und ein Abgeben der Kontrolle.
- Und es erfordert Ehrlichkeit. Ehrlich zu sich selbst. Ehrlichkeit zu dem, was Ihnen wichtig ist. Was Sie gern bewirken würden mit dem, was Sie ausmacht und was in Zusammenarbeit mit dem Potenzial Ihres Teams möglich ist. Das zu erkennen und zu spüren, braucht ein Innehalten. Es braucht die Akzeptanz der vorübergehenden Leere. Die Akzeptanz des Nichtwissens. Die Akzeptanz der Leere. Denn nur aus der Leere heraus kann Neues entstehen.
Liebe Führungskräfte, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, das Zeugnis, was Gallup mit den Ergebnissen der 2024er Studie der deutschen Arbeitswelt ausstellt, ist ein ungenügend. Die Versetzung ist nicht nur gefährdet, sondern sie wird verweigert.
Doch es wäre fatal, das Schuljahr einfach so zu wiederholen, ohne Lehren daraus zu ziehen.
Deutschland war jahrhundertelang bekannt für seinen Pioniergeist, sein Erfindertum.
Pioniergeist im Fokus
Was hält Sie, was hält uns davon ab, dieser Qualität wieder mehr Raum zu geben und aus dem „Business as usual“ auszusteigen?
Welche Entscheidungen können Sie in Ihrem Verantwortungsbereich treffen, um Dinge anders zu machen als gestern? Welche kleinen Schritte können Sie gemeinsam mit den Menschen in Ihrem Umfeld gehen, um das Wohlbefinden im Team wieder herzustellen?
Was von dem, was Sie Tag und Nacht im Inneren beschäftigt, gilt es mit Ihrem Team zu teilen, um zu zeigen, dass Ihnen die Situation nicht egal ist? Was braucht es darüber hinaus noch, um das Gefühl der Ohnmacht zu durchbrechen und in eine Energie des schöpferischen Gestaltens zurückzufinden?
Selbstwirksamkeit ist gefragt
Wirtschaft und Gesellschaft wird nicht gemacht. Wirtschaft und Gesellschaft sind wir. Jeder Einzelne von uns. Mit seinen Stärken und Schwächen, mit seinen Ecken und Kanten. Die Kunst der Führung ist es, einen Raum zu öffnen, dass die Stärken zum Tragen kommen und das die Summe der Stärken mehr ist als die Stärke der Einzelnen.
Wirksame Führung balanciert drei Aspekte permanent aus: den Markt und die Gesellschaft, die Organisation mit ihren Strukturen, Systemen und Prozessen sowie die Menschen. Die Leitfragen wirksamer Führung sind:
- Welches Problem des Marktes wollen wir lösen? Welchen gesellschaftlichen Beitrag wollen wir leisten?
- Wie gelingt uns das produktiv und wertschöpfend?
- Wen brauchen wir, damit uns das gelingt? Wie schaffen wir es, dass dies dauerhaft mit Expertise, Engagement und Verantwortlichkeit geschieht?
Die Menschen sind der Schlüssel. Sie formen die Qualität des Systems. Sie entwickeln Innovationskraft, sie entscheiden über Produktivität. Die Menschen sind der dauerhafte Wettbewerbsvorteil. Lassen Sie uns das wieder in den Fokus nehmen.
Haben Sie beim Lesen des Beitrags Impulse erhalten?