Kritisches Denken: Silhouette eines Männerkopfes vor blauem Kreis - managementberatung | coaching
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6 Min.

Organisationsentwicklung | Change Management

Kritisches Denken: Für mehr Erfolg in Change Prozessen

Von Sabine Walter, Head of netzwerk managementberatung | coaching
Erstveröffentlichung des Artikels am 25.10.2019 bei computerwoche.de

Veränderungen gehören in unserer heutigen Zeit zum Alltag. Das heißt aber nicht, dass sie gelingen. Studien beweisen, dass drei Viertel aller in Unternehmen angestoßenen Veränderungsprozesse scheitern. Gründe dafür sind u.a. fehlende Transparenz und emotionale, bis hin zu Angst getriebenen Diskussionen. Kritisches Denken ist sowohl Haltung als auch Instrument. Es hilft im ersten Schritt dabei, Sachverhalte umfassend zu analysieren, um sie dann im zweiten Schritt überzeugend zu kommunizieren.

Was ist kritisches Denken?

Karsten Miermans von der Ludwig-Maximilian-Universität in München und leidenschaftlicher „critical thinker“ beschreibt kritisches Denken wie folgt: „Kritisches Denken zielt zum einen darauf ab, Denkfehler zu erkennen und diese so in Zukunft zu vermeiden. Zum anderen hilft es dabei, kognitive Verzerrungen, also Abkürzungen bzw. Automatismen im Denken, zu unterbrechen.“ 

Wie gelingt kritisches Denken?

Der erste Schritt dafür ist die Haltung, eine wirklich schlüssige Argumentation aufbauen zu wollen, um all denen, die beispielsweise von Veränderungen betroffen sind, Transparenz zu geben und ihnen dabei zu helfen, sich eine eigene umfassende Meinung zu bilden. Im zweiten Schritt geht es um den Aufbau einer schlüssigen Argumentationskette. Fragen, die dabei helfen, den Sachverhalt umfassend darzustellen, sind u.a.: 

Was…

… genau wurde entschieden?
… konkret wird sich ändern?
… wären Alternativen?
… sind die Vor- und Nachteile des ausgewählten Vorgehens?
… kann schlimmstenfalls passieren?
… kann jeder tun, um die Veränderung zu Leben zu erwecken?
… kann jeder tun, damit das Schlimmste nicht eintritt?
… für unkontrollierbare oder unvorhersehbare Risiken gibt es?

Warum…

… ist diese Veränderung absolut notwendig?
… haben wir uns für diesen konkreten Weg entschieden?
… nehmen wir in Kauf, dass sich bestimmte Dinge verschlechtern?
… brauchen wir Unterstützung von externen Beratern?
… ist es genau jetzt notwendig, diese Veränderung einzuleiten?
… darf das Schlimmste nicht eintreten?
… sind wir davon überzeugt, dass die Veränderung gelingen wird?
… gibt es keine sinnvolle Alternative zu dem vorgeschlagenen Weg?

Wer…

… ist alles von der Veränderung betroffen?
… profitiert davon?
… erleidet Nachteile?
… nimmt Schaden?
… sind Schlüsselpersonen für das Gelingen der Veränderung?
… sind wichtige Querdenker?
… kann außerdem unterstützen?
… kann am meisten dazu beitragen, Schaden zu begrenzen?

Wann …

… soll das Geplante umgesetzt werden?
… soll der Veränderungsprozess spätestens abgeschlossen sein?
… findet der entscheidende erste Schritt statt?
… würden erste Erfolge unserem Unternehmen zu Gute kommen?
… ist die beste Zeit, diese Maßnahmen durchzuführen?
… wissen wir, ob diese Veränderung wirklich gelungen ist?
… sollen wir über bestimmte Dinge informieren?
… wäre es zu spät, diese notwendige Veränderung einzuleiten?

Wie …

… genau soll das ablaufen?
… können wir uns so sicher sein, dass das die richtige Entscheidung ist?
… vermitteln wir unsere Botschaft am besten denjenigen, die von der Veränderung am meisten betroffen sind?
… gelingt es uns, Betroffene von der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Veränderung zu überzeugen?
… können wir den Prozess zum Scheitern bringen?
… kann der größtmögliche Schaden entstehen?
… können wir sicherstellen, dass die Veränderung in der geplanten Zeit und mit den budgetierten Ressourcen gelingt?
… können wir den größtmöglichen Nutzen aus der Veränderung ziehen?

Wo…

… wird uns dieser Weg hinführen?
… fangen wir an?
… werden zuerst Anzeichen für Erfolg sichtbar sein?
… werden wir am ehesten merken, dass wir etwas an unserem Vorgehen verändern müssen?
… sind low hanging fruit?
… haben wir so etwas schon einmal gemacht und waren erfolgreich?
… außerhalb von unserem Unternehmen / unserem Bereich gibt es ähnliche Überlegungen?
… gibt es ähnliche success stories?

Was bewirkt kritisches Denken in Veränderungsprozessen?

Die aufgeführten Fragen stellen eine Auswahl dar, die Ihnen dabei hilft, Sachverhalte detailliert zu beschreiben und aus den verschiedenen Fakten eine schlüssige Argumentation aufzubauen. Ziel ist es, umfassend zu informieren und Chancen und Risiken gleichermaßen Raum zu geben. Ferner tragen die Fragen dazu bei, die Zeit und die Ressourcen, die für die wirkliche Vollendung der Veränderungsmaßnahme benötigt wird, realistischer einzuschätzen. Wie Daniel Kahnemann und Amos Tversky unter „planning fallacy“ erstmals 1979 zusammenfassten, haben Menschen und damit auch Organisationen die Tendenz, Zeit und Ressourcen, die sie zur Erledigung von Aufgaben benötigen, zu unterschätzen. Das ist auch ein Grund, warum Veränderungsprozesse in drei Viertel der Fälle nicht den gewünschten Nutzen erzielen. Deshalb sind Fragen, die auf die Hindernisse, Widerstände oder nötige Unterstützung abzielen, entscheidend in der Analyse des Sachverhaltes.

Kritisches Denken fördert die Akzeptanz von Transformationen

Kritisches Denken als Teil der Mitarbeiterentwicklung

Unternehmen, denen es gelingt, kritisches Denken zu nutzen, entwickeln ihre Mitarbeiter nicht nur zu Sparringpartnern auf Augenhöhe, sie treffen auch die besseren Entscheidungen und stärken ihre Fähigkeit, analytisch zu denken. 

Karsten Miermans dazu: „Die einfachste Fähigkeit, die durch das kritische Denken gestärkt wird, ist das analytische Denken. Jeder, der kritisches Denken anwendet, lernt, schneller bestimmte Strukturen und Argumente zu erkennen. Wenn man nicht mit diesen Strukturen und Argumente vertraut ist, wird man leicht von den vielen Details komplett überwältigt. Aber wenn man die Struktur von Argumenten durchschaut, kann man sie von den Details abstrahieren. Das heißt, wir haben die Fähigkeit des analytischen Denkens und die Fähigkeit, die Struktur von Ideen zu erkennen.“

Das wird auch dazu führen, dass Entscheidungen nicht nur weniger emotional getroffen werden, sondern dass getroffenen Entscheidungen auch weniger emotional und damit angstfreier begegnet wird. 

Und dann gibt Karsten Miermans noch einen Buchtipp: „Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen“ von Rolf Dobelli. Der Autor beschreibt in diesem Buch nicht nur allgemeine Denkfehler oder kognitive Verzerrungen für kritisches Denken, sondern gibt auch Beispiele und Tipps, um schneller und besser Entscheidungen zu treffen. Der Autor zeigt auf, dass manche Denkstrukturen deutliche, vorhersehbare Nachteile haben. Gleichwohl stellt er andere Denkstrukturen dar, mit denen sich solche Nachteile vermeiden lassen.

Kritisches Denken hilft dabei, Entscheidungen rationaler und objektiver zu begründen. In Veränderungsprozessen hilft diese Fähigkeit dabei, Sachverhalte transparent und umfassend darzustellen. Das wirkt überzeugend und sichert die Veränderungsbereitschaft der Betroffenen. Veränderungen haben so deutlich größere Aussicht wirklich zu gelingen.

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