Die Führungskraft als Coach

Von Sabine Walter
18. Jan. 2023

Mit dem Wandel des Führungsverständnisses hin zu einer modernen Führung nehmen die Anforderungen an Führungskräfte zu. Eine Anforderung ist, immer Stärke die Rolle des Coaches auszufüllen. Da diese Rolle für Führungskräfte nicht nur Chancen bietet, sondern auch klare Grenzen hat, erläutere ich, welche Rahmenbedingungen ein wirkungsvolles Coaching ermöglichen. Außerdem zeige ich auf, welche Grenzen es gibt, wenn Führungskräfte die Rolle eines Coaches ausfüllen.

Emphatische Führungskraft als Coach - Organisationsentwicklung | Executive Coaching
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Management Summary

Moderne Führung verlangt von vielen Führungskräften auch, für ihre Mitarbeiter als Coach zu fungieren. Das führt zu einem Rollenkonflikten. Dieser liegt darin begründet, dass Mitarbeiter und Führungskraft Teil des gleichen Systems sind. Eine Führungskraft kann somit nie für die eigenen Mitarbeiter Coach sein.

Dennoch kann jede Führungskraft zentrale Coachinginstrumente in ihre Führung integrieren und so Mitarbeiter bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen. Diese Instrumente sind:

  • Wertfreies Feedback geben
  • Zielgerichtet fragen
  • Aktiv Zuhören
  • Zusammenfassen und Verbindlichkeit herstellen
  • Regelmäßige Entwicklungsgespräche führen

Diese Art zu führen, bietet sowohl der Führungskraft als auch den Mitarbeitern verschiedene Chancen, z.B.:

  • Die gemeinsame Vertrauensbasis wird gestärkt.
  • Selbstvertrauen, Lösungskompetenz und Eigenverantwortung der Mitarbeiter wachsen.
  • Die Führungskraft wird durch wirksamere Mitarbeiter entlastet.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Coaching wirksam ist?

Damit Coaching wirksam ist, braucht es drei zentrale Voraussetzungen:

  • Der Coachee möchte sich weiterentwickeln.
  • Zwischen Coach und Coachee herrscht eine Vertrauensbasis.
  • Der Coach hat Expertise.

Die Einstellung des Coachees

Wir alle haben schon mal versucht, uns in Bereichen weiterzuentwickeln, die wir nicht interessant fanden:

  • Bestimmte Schulfächer, die wir nicht mochten
  • Hobbies, die eher Interessen unserer Eltern waren
  • Studienfächer, die uns nicht interessiert haben

Aus diesen Erfahrungen wissen wir, dass Weiterentwicklung kaum oder nur mit sehr großer Anstrengung möglich ist, wenn uns das Wollen fehlt.

Deshalb ist Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Coachings die offene Einstellung des Coachees.

Das Vertrauen zwischen Coach und Coachee

Weiterentwicklung erfolgt außerhalb der Komfortzone. Hat der Coachee kein Vertrauen in den Coach, wird er seine Komfortzone nicht verlassen. Damit wird Weiterentwicklung unmöglich. Hat der Coach kein Vertrauen in den Coachee, wird er nie aus einer integren Haltung agieren können, somit wird der Coachee dem Coach nicht wirklich vertrauen.

Die Expertise des Coaches

Zur Expertise des Coaches zählen vielfältige Dinge. Ich fokussiere mich an dieser Stelle auf fünf:

  • Vertrauen herstellen
  • Wertneutral zuhören
  • Zielgerichtet fragen
  • Strukturieren und das Thema aus verschiedenen Perspektiven fokussieren
  • Verantwortlichkeit beim Coachee belassen

Führungskraft als Coach

Warum kann eine Führungskraft kein Coach der eigenen Mitarbeiter sein?

Da Führungskraft und Mitarbeiter Teil des gleichen Systems sind, kann die Führungskraft für eigene Mitarbeiter kein Coach sein. Wäre sie es, würde es auf der Beziehungsebene zu einem Rollenkonflikt kommen.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen.

Beispiel für den Rollenkonflikt Führungskraft – Coach

Mitarbeiterin Z würde sich gern weiterentwickeln, um im nächsten Schritt eine Führungsrolle im Team zu übernehmen. Sie sucht das Coachinggespräch mit Ihrer Führungskraft. Diese vergleicht die Mitarbeiterin unbewusst in vielen Situationen mit sich selbst, sieht ihre eigene Rolle in Gefahr und lässt daher viele Entwicklungsräume im Gespräch unbeachtet.

Dieser Rollenkonflikt lässt sich nicht auflösen.

Welche Instrumente kann eine Führungskraft für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter nutzen?

Auch wenn Führungskräfte für ihre eigenen Mitarbeiter nicht als Coach fungieren können, so können sie wirkungsvolle Instrumente in ihren Führungsalltag integrieren, um die Entwicklung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen:

  • Wertfreies Feedback geben
  • Zielgerichtet fragen
  • Aktiv zuhören
  • Zusammenfassen und Verbindlichkeit herstellen
  • Regelmäßige Entwicklungsgespräche führen

Wertfreies und konstruktives Feedback

In meinem Artikel „Führungsinstrument Feedback“ stelle ich drei Gesprächsstrukturen vor, die Ihnen helfen, Ihr Feedback wertfrei und auf den Punkt zu formulieren.

Führungsinstrument Feedback

Zielgerichtet fragen

Wie Sie zielgerichtet fragen und wie Sie zielgerichtetes Fragen trainieren können, habe ich in einem anderen Artikel detailliert beschrieben.

Geschäftsführerwissen: Mit wirksamen Fragen zielgerichtet führen

In nachstehender Tabelle habe ich Ihnen wirksame Fragen zusammengestellt, die Entwicklungsprozesse anstoßen oder unterstützen.

Wirksame Fragen für Führungskräfte

Ziel klären

  • Was ist dein Warum?
  • Wie möchtest du das wirkungsvoll einbringen?
  • Woran würden deine Kollegen und ich merken, dass du es einbringst? (…) Woran noch?

Motivation erfragen

  • Warum ist es dir wichtig, diese neue Rolle zu übernehmen?
  • Was bräuchtest du, um voll und ganz hinter diesem Entwicklungsschritt zu stehen?
  • Was müsste gegeben sein, um deine Aufgaben mit Kopf und Herz auszufüllen?

Nutzen herausstellen

  • Nehmen wir mal an, ihr habt dieses Ziel als Team erreicht, was wäre der Nutzen für euch?
  • Mal angenommen, du hättest die einmalige Chance, dieses Thema aktiv mitzugestalten. Was könnte ein möglicher Nutzen für dich und dein Team sein?
  • Mal rein hypothetisch…, was könnte ein Nutzen für jemanden sein, der diese auf den ersten Blick recht undankbare Aufgabe für vier Wochen übernimmt? (…) Was noch?

Ressourcen aufdecken

  • Was von dem, was eure Zusammenarbeit als Team ausmacht, sollte sich unbedingt auch im kommenden Projekt wiederfinden?
  • Was genau hat es dir ermöglicht, das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast? (…) Was noch?
  • Welche Stärken, die gerade aus dem Miteinander eurer verschiedenen Persönlichkeiten resultieren, haben wir bisher noch gar nicht betrachtet?

Ausgangsbasis festhalten

  • Auf einer Skala von 0-10, wenn 0 bedeutet „noch nicht angefangen“ und 10 bedeutet „fertig gestellt“, wo stehst du aktuell im Bezug auf diese Aufgabe?
  • Auf einer Skala von 1-10, wie würdest du deine Fähigkeit Entscheidungen zu treffen einschätzen. 1 bedeutet: „Ich bin sehr unsicher, wenn ich allein entscheiden muss.“ 10 steht für: „Ich entscheide allein, auch wenn ich nicht zu 100% sicher bin.“
  • Wenn ich deine Teamkollegen fragen würde: „Wie wertschätzend begegnet Max Musterkollege euch? Welchen Wert würden sie mir auf einer Skala von 1-10 nennen? 1 bedeutet „kaum wertschätzend“. 10 heißt „sehr wertschätzend“. (…) Was denkst du, ist die Grundlage für diese Einschätzung?

Entwicklung anstoßen

  • Wo auf der Skala würdest du gern bei unserem nächsten Gespräch im Bezug auf deine Entscheidungskompetenz stehen? (…) Warum da? (…) Was hat es dir möglich gemacht, diesen Wert zu erreichen?
  • Welchem der erkannten Entwicklungsfelder sollten wir zuerst unsere Aufmerksamkeit schenken? (…) Warum gerade diesem? (…) Mit welchem Ziel?
  • Mal angenommen, du erreichst, was du dir vornimmst, was hat sich dadurch für dich / dein Umfeld verändert?

Mögliche Hürden aufdecken und einen Plan B entwickeln

  • Lass uns mal den unwahrscheinlichen Fall betrachten, dass etwas dazwischen kommt. Was könnte das denn sein? (…) Was noch? (…) Wie könnten wir denn sicherstellen, dass genau dieser Fall nicht eintritt?
  • Welche Risiken könnten im Laufe des Projektes auftreten?
  • Mal angenommen, es wäre unser Ziel, dass absolut nichts schiefgeht. Welche Vorkehrungen müssten wir bereits jetzt schon treffen, um dieses Ziel zu erreichen?

Fortschritte anerkennen

  • Nehmen wir an, du würdest sehr wohlwollend auf die letzten vier Wochen zurückblicken. Worauf würdest du absolut stolz sein?
  • Du hast bei unserem letzten Gespräch deine Fachkompetenz mit einer 4 bewertet. Wie würdest du diese heute einschätzen? (…) Warum so? (…) Was hat es dir ermöglicht, diese (kleinen) Fortschritte zu erzielen? (…) Was noch?
  • Welche positiven Veränderungen konnten deine Kollegen in den letzten drei Monaten wahrnehmen? (…) Welche noch?

Beim Lesen der Fragen werden Sie festgestellt haben, dass neben den offenen Fragen auch hypothetische Fragen eine Rolle im Coaching spielen. Dieser Fragetyp hilft dabei, mentale Hürden und daraus resultierende Widerstände zu verringern.

Ein Subtyp der offenen Frage ist die Skalierungsfrage. Sie zielt darauf ab, Dinge, die wenig greifbar erscheinen, für alle Gesprächspartner gleich konkret zu machen. Ferner ermöglicht sie es, auch kleine Fortschritte zu visualisieren und damit anzuerkennen.

Das, was alle diese Fragen gemein haben, ist ihr Lösungsfokus. Damit bleiben Denken und Gesprächsatmosphäre konstruktiv und der Zukunft bzw. der Lösung zugewandt.

Aktiv zuhören

Ein weiteres Instrument, das Vorgesetzte (nicht nur in Coachinggesprächen) nutzen sollten, ist das aktive Zuhören. Das wird verdeutlicht durch die Paraphrase. Beim Paraphrasieren wird das Gesagte mit eigenen Worten wiederholt. Mit diesen Redemitteln können Sie Paraphrasen einleiten:

  • Du sagst, …
  • Dir ist wichtig, …
  • Wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es dir um …
  • Zentraler Aspekt für dich ist …
  • Dein Hauptgedanke ist …
  • Du sprichst den Aspekt …. an.

Zusammenfassen und Verbindlichkeit herstellen

An dieser Stelle möchte ich ein drittes Instrument der Gesprächsführung nennen, das ebenfalls eine wichtige Rolle in Coachinggesprächen einnimmt und das ebenfalls für Führungskräfte von Nutzen ist: Das Instrument der Zusammenfassung. Durch die Zusammenfassung am Gesprächsende wird nicht nur auf das Wesentliche fokussiert sondern auch Verbindlichkeit geschaffen. Nachstehend nützliche Redemittel dafür:

  • Wie würdest du unsere Vereinbarung zusammenfassen?
  • Was ist die Essenz unseres Gespräches?
  • Was genau vereinbaren wir jetzt?
  • Welche konkreten Schritte halten wir bis zu unserem nächsten Gespräch fest?

Regelmäßige Entwicklungsgespräche führen

Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, Entwicklungsgespräche mehrfach im Jahr zu führen. Diese Entwicklung unterstütze ich. Wenn Sie Impulse für die Vorbereitung und Gestaltung von Entwicklungsgesprächen brauchen, finden Sie diese in dem Artikel zu Mitarbeitergesprächen.

Mitarbeitergespräche – Vorbereitung, Durchführung und Stolperfallen

Welche Chancen hat eine kontinuierliche Mitarbeiterentwicklung?

Aus einer kontinuierlichen Mitarbeiterentwicklung ergeben sich verschiedene Chancen.

Chancen für den Mitarbeiter

  • Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen nehmen zu
  • Lösungskompetenz wird durch „fragen statt sagen“ gestärkt
  • Verantwortungs- und Gestaltungsspielraum nehmen zu
  • Eigenständigkeit wächst
  • Handlungskompetenz steigt

Chancen für die Führungskraft

  • Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter steigt
  • Delegation wird erleichtert
  • Entlastung von operativen Aufgaben nimmt zu
  • Teamwirksamkeit wächst
  • Zielerreichung wird leichter

Chancen für das Unternehmen

  • Kompetenz wird kontinuierlich aufgebaut
  • Lösungskompetenz der Organisation wächst
  • Vertrauenskultur kann wachsen
  • Zugehörigkeit der Mitarbeiter zum Unternehmen wird gestärkt
  • Kosten für Fehler, Fluktuation und Krankheit können sinken

Sollten Sie Ihre Führungsrolle weiterentwickeln wollen, bietet unser Executive Coaching die Möglichkeit dazu.

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