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Nachhaltigkeitsmanagement: Praxistipps

Von Sabine Walter
13. März 2025

Nachhaltigkeitsmanagement bedeutet für viele Unternehmen erst einmal Bürokratie und Berichtspflicht. Dennoch lohnt es sich auch für mittelständische Unternehmen, sich in einem partizipativen Ansatz mit der nachhaltigen Ausrichtung ihrer Organisation zu beschäftigen. Stephanie Helmeth leitet im Job Sharing das „Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Hochschule München. Sie gibt Tipps, wie eine nachhaltige Ausrichtung einer Organisation gelingen kann. Sabine Walter hat mit ihr gesprochen.

Workshop Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen: netzwerk managementberatung | coaching
Foto | Rawpixel on Shutterstock

Management Summary

Nachhaltigkeit ist viel mehr als die reine CO2-Bilanz. Eine Organisation nachhaltig auszurichten, erfordert viel Kommunikation und kontinuierlichen Diskurs, um den Fokus immer wieder auf das zu setzen, was konsensfähig ist. Zentrale Grundvoraussetzung für diesen Prozess sind:

  • eine klare Absicht, sich als Organisation mit dem Thema der Nachhaltigkeit auseinander setzen zu wollen,
  • eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Organisationsstrategie,
  • ein starkes Commitment des Managements zur Umsetzung dieser Strategie sowie
  • die Fähigkeit, gut durch auftretende Zielkonflikte navigieren zu können.

Nachhaltigkeitsmanagement: Absicht und Haltung vor Tools & Prozessen

S.W.: Nachhaltigkeitsmanagement – wie viel ist Haltung, wie viel ist Tools und Prozesse?

Stephanie Helmeth: Die Definition nach dem Brundtland-Bericht von 1987 für nachhaltige Entwicklung besagt, dass wir als Generation so mit unseren Ressourcen umgehen, dass auch die nachfolgenden Generationen noch gut auf unserem Planeten leben können.

Um eine Organisation ernsthaft in diesem Sinne auszurichten, braucht es eine klare und starke Grundhaltung. Tools und Prozesse sind dann Mittel zum Zweck. Ich würde aber gern noch einen Schritt weiter vorn anfangen, bei der Absicht. Die Absicht, sich als Organisation mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, eine Haltung zu entwickeln und dazu einen Beitrag leisten zu wollen, ist die Initialzündung für den weiteren Prozess.

Nachhaltigkeit ist viel mehr als die reine CO2-Bilanz

S.W.: Wenn wir über Nachhaltigkeitsmanagement sprechen, welche Bereiche gehören dazu?

Stephanie Helmeth: Am Anfang eines jeden Nachhaltigkeitsmanagements steht die Frage: „Was verstehen wir in unserer Organisation unter Nachhaltigkeit?“ Aus diesem Austausch entwickelt sich ein Zielbild und aus dem Zielbild leitet sich eine Strategie ab, die darauf einzahlt. Das Nachhaltigkeitsmanagement ist dann für die Umsetzung dieser Strategie in allen Bereichen einer Organisation zuständig.

Auch wenn in der öffentlichen Debatte zur Nachhaltigkeit Bereiche wie Einkauf, Energie- oder Gebäudemanagement häufig einen größeren Raum einnehmen, geht es letztlich darum, alle Strukturen, Prozesse und Systeme Stück für Stück auf den Prüfstand zu stellen.

Nachhaltigkeit – ein Querschnittsthema über sechs Handlungsfelder

Bei uns an der HM ist Nachhaltigkeit im aktuellen Hochschulentwicklungsplan ein Querschnittsthema über die sechs Handlungsfelder „Lehre“, „Forschung“, „Transfer“, „Ressourcen & Prozesse“, „Organisation & Steuerung“ und „Studentisches Engagement“. In jedem dieser Handlungsfelder haben wir definiert, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet. Nachhaltigkeit ist damit viel mehr, als die reine CO2-Bilanz.

Leitsätze zur Nachhaltigkeit an der Hochschule München

Nachhaltig lernen, lehren und leben – Forschung und Innovation für Transformation

Hochschule München, Eingang Lothstraße
Foto und Leitsätze: Hochschule München

Lehre: Wir befähigen unsere Studierende, die Zukunftsfähigkeit der Menschheit mitzugestalten

Forschung: Mit unseren Forschungsprojekten gestalten wir nachhaltig eine lebenswerte Welt

Transfer: Zur Förderung nachhaltiger Entwicklung stehen wir im wechselseitigen Austausch mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik

Ressourcen und Prozesse: Wir schaffen die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Hochschulbetrieb, mit dem wir einen verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Natur vorleben

Organisation und Steuerung: Als Institution orientieren wir uns in allen Arbeitsbereichen und Entscheidungen an unserem Verständnis von Nachhaltigkeit

Studentisches Engagement: Die Studierenden beteiligen sich aktiv an der nachhaltigen Entwicklung an der HM

S.W.: Wir haben ein sehr dynamisches Umfeld. Gerade Unternehmen sind sehr gefordert, in immer kürzeren Abständen Bestehendes zu hinterfragen, weiterzuentwickeln, loszulassen und neu zu denken. Inwieweit stehen diese Dynamik und damit einhergehende Agilität im Widerspruch zu einer nachhaltigen Ausrichtung?

Stephanie Helmeth: Lass mich diese Frage zweigeteilt beantworten: Zum einen kann die kontinuierliche Veränderung Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie sein, da sie ermöglicht, sehr schnell neue Erkenntnisse, Informationen oder Technologien in die Strukturen einer Organisation zu integrieren. Zum anderen zeigt diese Frage aber auch, dass das Feld der Nachhaltigkeit voll von Zielkonflikten ist.

Schauen wir uns die 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen an. Wenn wir in diese tiefer eintauchen, stellen wir fest, dass die Verfolgung mancher Ziele zunächst negative Effekte bei anderen Zielen verursachen kann und es nötig ist, neue Lösungen oder manchmal auch Kompromisse zu finden.

Sustainable Development Goals

Sustainable Development Goals United Nations
Quelle: Vereinte Nationen

Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz sind hier ein gutes Beispiel. So können neue Technologien uns z.B. dabei helfen, weniger Pestizide und Düngemittel in der Landwirtschaft auszubringen und somit einen positiven Beitrag zum Schutz der Böden und Gewässer zu leisten und ressourceneffizient gesunde Lebensmittel herzustellen. Gleichzeitig benötigen die hierfür notwendigen Berechnungen viel Energie und auch technische Geräte oder Hardware, die produziert werden muss und deren Produktion u.U. negative Effekte haben kann. Eine mögliche Lösung, um diese Effekte abzumildern, können hier u.a. die Nutzung regenerativer Energien oder der Einsatz von recycelten Rohstoffen sein sowie die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Lieferkette.

Nachhaltigkeitsmanagement erfordert darum viel Kommunikation und kontinuierlichen Diskurs, um den Fokus immer wieder auf das zu setzen, was konsensfähig ist und so Schritt für Schritt eine Organisation nachhaltig auszurichten. Zentrale Grundvoraussetzung hierfür sind eine klare Ausrichtung der Organisationsstrategie und ein starkes Commitment des Managements zu dieser, um gut durch diese Zielkonflikte navigieren zu können.

Nachhaltige Mitarbeiterführung und -Entwicklung

S.W.: Mein Herzensthema ist „Führung“. Wie würdest du mit deiner Expertise nachhaltige Mitarbeiterführung und -entwicklung charakterisieren?

Stephanie Helmeth: Das ist eine spannende Frage, die wiederum jede Organisation für sich beantworten muss. Auch hier ist zunächst die Frage zu klären, was darunter verstanden wird. Ist mit „nachhaltig“ rein „langfristig“ gemeint? Dann sprechen wir u.U. über andere Dinge, als wenn der Fokus auf „nachhaltiger Entwicklung“ liegt. Bei „nachhaltiger Entwicklung“ geht es meiner Meinung nach zunächst darum, bei Mitarbeitenden Kompetenzen und ein Arbeitsumfeld zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, Nachhaltigkeit – entsprechend dem Zielbild – in die Organisation zu bringen und zu leben. Dazu gehört auch, durch Weiterbildung und Qualifizierung von sowohl Führungskräften als auch Mitarbeitenden, Wissen zu Nachhaltigkeit im Allgemeinen und im speziellen Arbeitskontext aufzubauen. 

Ins Tun kommen: Mitarbeiter befähigen, die Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen

S.W.: Wenn ich mit Unternehmen an der Weiterentwicklung ihrer Führungskultur arbeite, stelle ich die Leitfrage: „Was braucht es in eurem Unternehmen, damit eure Mitarbeiter dauerhaft mit Kopf und Herz sich im Sinne der unternehmerischen Zielsetzung einbringen?“

Wäre das aus deiner Sicht eine Frage, die uns zu nachhaltiger Führung bringen würde?

Stephanie Helmeth: Ja. Und ich würde sogar ein Element ergänzen, die Hand. Ins Tun kommen fällt im Bereich der nachhaltigen Entwicklung vielen Organisationen schwer. Es wird viel gesprochen und konzipiert, aber es scheitert oft an der Umsetzung. Daher ist aus meiner Sicht der Schlüssel, die Menschen einer Organisation durch Kompetenzen, Entscheidungsspielraum und Budget zu befähigen, Maßnahmen der verabschiedeten Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen.

Aspekte einer Nachhaltigen Unternehmenskultur

S.W. Welche Aspekte gehören zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur?

Stephanie Helmeth: Lass mich diese Frage am Beispiel unserer Hochschule beantworten. Die Empfehlung der Hochschul-Rektorenkonferenz aus dem Jahr 2018 an die Hochschulen lautet, eine Kultur der Nachhaltigkeit umzusetzen. Diese haben wir zum Leitgedanken für unsere Nachhaltigkeitsstrategie gemacht. Für uns bedeutet das Nachhaltigkeit an der HM sichtbar und erlebbar zu machen. Dies zeigt sich z.B. in Aktivitäten wie:

  • der öffentlichen und für alle zugänglichen Ringvorlesung „Lectures for Future
  • Forschungsprojekten und -instituten wie ISES (Institut for Sustainably Energy Systems)
  • der Beteiligung an Projekten wie „Creating NEBourhoods Together“ in Neuperlach, bei dem in einem Co-Creation-Prozess mit der vor Ort lebenden Gesellschaft ein Stadtteil nach nachhaltigen Kriterien neu gestaltet wird 
  • die Bottom-Up Mitarbeitendeninitiative „Runder Tisch“, bei der Fragestellungen rund um Nachhaltigkeit im Betrieb der HM diskutiert und Maßnahmen entwickelt werden
  • Leuchtturmprojekten wie die Teilnahme an ÖKOPROFIT, einem Umweltmanagement-Programm, welches von der Landeshauptstadt München speziell für kleine und mittelständige Organisationen aufgesetzt wurde. An diesem nimmt unsere FK04 (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik) seit über 20 Jahren teil, 2024 wurde unser Campus in Pasing danach zertifiziert. 

Eine Kultur der Nachhaltigkeit ist aus meiner Sicht umgesetzt, wenn es für uns selbstverständlich ist, Nachhaltigkeitskriterien in all unseren Kern- und auch Unterstützungsprozessen automatisch mitzudenken. 

Praxistipps für die nachhaltige Ausrichtung von mittelständischen Unternehmen

S.W.: Wie können mittelständische Unternehmen, die keine Ressourcen dafür haben, ganze Abteilungen mit der Erfüllung bürokratischer Vorgaben zu beschäftigen, sich nachhaltig ausrichten?

Stephanie Helmeth: Fakt ist: Wir haben gesetzliche Vorgaben und es werden auch zunehmend mehr Unternehmen berichtspflichtig. Auch wenn das viel Transparenz und Auseinandersetzung mit nachhaltiger Unternehmensführung mit sich bringt, ist auch Fakt, dass gerade für kleinere Organisationen diese Berichtspflicht eine kritische Ressourcenfrage darstellt, weil keine zentralen Abteilungen dafür vorgehalten werden können.

Dennoch möchte ich auch diese Unternehmen ermutigen, sich im Rahmen eines partizipativen Prozesses mit der Frage zu beschäftigen: „Was verstehen wir in unserem Unternehmen unter Nachhaltigkeit?“ Ich bin mir sicher, dass die Unternehmen sogar die Chance haben, schneller Ideen umzusetzen, weil vielleicht eher pragmatische Entscheidungen getroffen werden, Entscheidungswege kürzer sind und man eher auch bereit ist, mal neue Wege und Ansätze auszuprobieren.

Leitfragen für den unternehmerischen Alltag gibt es viele.

Strategische Leitfragen für eine nachhaltige Ausrichtung

  • Was ist uns als Unternehmen – mit Blick auf die Definition von Nachhaltigkeit nach dem
    Brundland-Bericht – wichtig?
  • Was wollen wir mit unserem Kerngeschäft diesbezüglich erreichen?
  • Wie kommen wir dorthin? 

Operative Leitfragen für eine nachhaltige Ausrichtung

  • In welchen Prozessen können wir welche Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen? 
  • Wo können wir Ressourcen noch zielführender einsetzen? 
  • Wo können wir Ressourcen sparen? 
  • Wo können wir beispielsweise unsere eigene Arbeitszeit noch wirksamer in Bezug auf unsere unternehmerischen Ziele einsetzen? 
  • Welche Kompetenzen und Mittel benötigen wir, um unsere Ziele zu erreichen?

All das sind Beispiele für Fragestellungen, die jedes Mitglied einer Organisation für sich und gemeinsam mit dem Team beantworten kann. Je partizipativer dieser Prozess gestaltet wird, desto größer ist die Akzeptanz und Identifikation mit nachhaltigem Handeln, wobei das große Leitbild von der Unternehmensführung gestützt werden muss. Bei allen Versuchen der Messbarkeit und des Reportings sollte dieses Arbeiten an einer gemeinsamen, nachhaltigen Unternehmensvision im Fokus stehen.

Zur Person:

Stephanie Helmeth leitet im Job Sharing das „Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Hochschule München.

Als studierte Betriebswirtin mit jahrelanger Berufserfahrung in verschiedenen Branchen hat sie parallel zu ihrem Beruf 2021 an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde das Studium „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ begonnen und 2024 mit dem Master abgeschlossen. Seitdem kümmert sie sich darum, an der HM Strukturen aufzubauen, um Nachhaltigkeit in allen Handlungsfeldern zu verankern und die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie voranzubringen.

Portrait Stephanie Helmeth, Hochschule München
Foto | Helmeth

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