Herr Agster, was lieben Sie an Ihrem Beruf?
Vieles. Ich arbeite ja im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und leite international Projekte, bei denen es beispielsweise darum geht, besser zu wirtschaften oder sorgsamer mit unserer Umwelt umzugehen. Da verändert sich ständig etwas. Es wird nie langweilig. So richtig cool an meinem Job finde ich aber, dass ich mir in vielen Projekten Dinge von A bis Z neu ausdenken kann. Gerade bei non-for-profit Projekten bekommen wir oft nur ein Ziel vorgegeben, wie z.B. die Reduktion der Treibhausgasemission in Malawi. Wir überlegen uns dann, wie man am besten vorgeht, um dieses Ziel zu erreichen. Ich kann also die aus meiner Sicht beste Lösung kreativ und selbstständig entwickeln.
Unser Lösungsvorschlag wird dann anhand definierter Kriterien durch die geldgebenden Institutionen wie beispielsweise Europäische Kommission oder das Bundesumweltministerium bewertet. Wenn alle Kriterien für eine Förderung erfüllt sind, bekommen wir die Gelder, um unsere Lösung zu realisieren.
Und dann geht es richtig los: Damit das, was wir uns ausdenken, in den Ländern „fliegt“, nutzen wir lokale Partner. Bleiben wir bei dem Beispiel von Malawi. Wenn wir als Deutsche nach Malawi kommen würden und denen erzählen, wie sie ihre Treibhausgasemissionen senken, ist die Akzeptanz geringer, als wenn ein lokaler Experte das macht. Dafür müssen sie hinter dem stehen, was wir entwickelt haben. Deshalb sind unsere lokalen Partner im ersten Schritt Sparringpartner für unsere Lösungsvorschläge. Sie sagen uns, was geht und was nicht geht. Zugegebenermaßen ist teilweise die Liste mit Dingen, die nicht gehen, länger. Davon lassen wir uns aber nicht abschrecken. Im Gegenteil, wir testen aus, was wirklich funktioniert und lernen bei jedem Projekt dazu.
Dass ich mal Projekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit managen werde, hätte ich früher nicht gedacht. Ich bin in meinen Job reingerutscht. Als Umweltingenieur wollte ich schon immer etwas für die Umwelt tun, aber nicht zwangsläufig die Welt retten. Jetzt trage ich mit meinen Projekten doch dazu bei, dass die Welt etwas besser wird, und zwar nicht nur in Umweltfragen.
Die zentralen Fragen, die mich mittlerweile schwerpunktmäßig beschäftigt, sind: „Wie bekommen wir mit unseren Projekten einen höheren Wirkungsgrad? Wie lässt sich das, was wir machen, skalieren?“ Und da werden Finanzdienstleister zu immer interessanteren Partnern. Gemeinsam mit ihnen entwickeln wir Finanzprodukte, die das gestellte Ziel, wie zum Beispiel die Senkung der Treibhausgase in Malawi, unterstützen.
Konkret heißt das: Ich gehe mittlerweile nicht mehr in die Unternehmen und berate diese, wie sie z.B. Energie sparen, sondern ich überlege mir mit der Bank zusammen ein Kreditprodukt, das Unternehmen anspricht und dazu beiträgt, dass sie in Energieeffizienz investieren.
Welche Parallelen gibt es zu dem, was wir tun, der Persönlichkeitsentwicklung?
Einige. Was wir bei vielen Projekten machen, ist Persönlichkeitsentwicklung zum einen und Organisationsentwicklung zum anderen. Was heißt das genau? Führungskräfte und Mitarbeiter von den verschiedenen Unternehmen, mit denen wir arbeiten, lösen in einem von uns organisierten Workshop mittels einer von uns entwickelten Struktur und Werkzeugen konkrete Fragestellungen aus ihrem Unternehmen. Wir nennen diesen Ansatz Toolification. Beispiel: Wie können wir besser mit Stakeholdern zusammenarbeiten? In diesem Workshop führen wir sie durch den Ideenprozess, um am Ende konkret zu wissen, wie genau sie mit ihrem Unternehmen mehr Wirkung erzielen können.
Das heißt: Am Ende des Workshops haben die Teilnehmer zum einen Lösungen für ihr eigenes Unternehmen, zum anderen erfolgt im Austausch miteinander ein Wissenstransfer. Somit lernen die Unternehmen auch voneinander. Und zu guter Letzt erweitern die Teilnehmer ihr Netzwerk und setzen im Nachgang zum Workshop vielleicht den Austausch fort oder finden sogar Bereiche, in denen sie zusammenarbeiten können.
Kurz: Wir stellen uns nicht vor die Gruppe und vermitteln mit langen Powerpointpräsentationen Expertenwissen. Sondern wir befähigen die Leute dazu, ihre Probleme selbst zu lösen. Das ist aus unserer Sicht der beste Weg, um einen nachhaltigen Effekt zu haben. Das spannende an der Gruppenzusammensetzung ist teilweise der unterschiedliche Bildungsstand. Wir arbeiten sowohl mit Leuten, die ein MBA in Harvard als auch mit welchen, die nur 4 Jahre zur Schule gegangen sind. Das müssen wir bei unseren Trainingsprogrammen und der Moderation der Workshops berücksichtigen.
Ein weiterer Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung ist die Entwicklung unserer lokalen Partner. Sie müssen in der Lage sein, Workshops und Prozesse zu moderieren, ergebnisorientiert zu arbeiten und Kreativität zu unterstützen, damit Lösungen wirklich entstehen und umgesetzt werden können.
Wann kommen Ihnen die besten Ideen?
Nachdem ich mir einen Tag lang Gedanken gemacht habe, eine Nacht darüber geschlafen und dann noch mal nachgedacht habe. Und meistens auch in Gruppenprozessen, wenn ich mich mit einigen Kollegen austausche. Wichtig ist, dass wir konzentriert bei der Sache sind. Das heißt: Keine Handys, keine Laptops, keine Ablenkung.
Wann mir auch noch gute Ideen kommen ist, wenn die Gedanken sich beruhigt haben. In dieser Leere poppen dann Ideen einfach auf.
Wie wird Ihr Beruf im Jahr 2050 aussehen?
Ich glaube, mein Job an sich, wird sich gar nicht so verändern. Vielmehr denke ich, dass es noch mehr darum gehen wird, Lösungen zu skalieren. Die Frage, die uns beschäftigen wird, ist: Wie denkt man größer mit niedrigeren Transaktionskosten. Es muss uns gelingen, aus den vielen kleinen Projekten wirklich Lösungen mit großem Wirkungsgrad zu entwickeln. Um unser Malawi-Beispiel wieder aufzugreifen: Wie senken wir mit dem Malawi-Projekt ohne weitere Kosten auch die Treibhausgase in den benachbarten Ländern wie Mosambik oder Sambia.
Dieses Ziel des größeren Wirkungsgrades wird zukünftig aus meiner Sicht auch durch eine steigende Wettbewerbsintensität um die beste Lösung unterstützt werden. Momentan ist die Entwicklungszusammenarbeit von großen Organisationen geprägt. In Deutschland ist das die GIZ. In den Niederlanden ist das bereits anders. Dort gibt es bereits mehrere kleinere Organisationen, die im Wettstreit um die beste Lösung sind. Außerdem glaube ich, dass zunehmend Akteure aus Indien auf den Weltmarkt drängen werden. Je mehr sich Gedanken machen, wie bestimmte Fragestellungen gelöst werden können, desto besser wird die Lösung.
Was die Themen angeht, mit denen wir uns im Jahr 2050 beschäftigen werden, glaube ich dass die Energieversorgung nicht mehr so im Fokus stehen wird, Energieeffizienz hingegen schon. Wasser wird weiterhin ein großes Thema sein, Empowerment wird uns weiterhin beschäftigen.
Was vielleicht neu hinzu kommen könnte ist Depowerment. Wenn ich mir die Millennials anschaue, mit denen wir zu tun haben, ist sehr viel Selbstbewusstsein und Anspruch vorhanden. Das, was diesen jungen Menschen oft fehlt, ist etwas Bescheidenheit. Uns muss es gelingen, das Zusammenspiel der Generationen noch besser hinbekommen. So dass es ein echter Austausch wird und aus diesem Austausch kreative und nachhaltige Lösungen für die Probleme entstehen, die unsere Welt und Gesellschaft dann im Jahr 2050 hat.
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