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Agile Transformation | Organisationsentwicklung

Von hierarchischen Strukturen zu rollenbasiertem Arbeiten

Von Sabine Walter, Head of netzwerk managementberatung | coaching

Viele Unternehmen, auch mittelständische, hinterfragen ihre bewährten Strukturen und Organisationsformen. Der Wunsch nach mehr Agilität, die Forderung der Arbeitnehmer nach größeren Gestaltungsräumen und mehr Selbstbestimmung, Fachkräftemangel und immer komplexer werdende unternehmerische Herausforderungen bringen die mehrstufige Hierarchie an ihre Grenzen. Teamzentriertes und rollenbasiertes Arbeiten drängt in den Vordergrund. „Wie gelingt dieser strukturelle Wechsel?“, werden wir von vielen unserer Kunden gefragt.

Deshalb beantworten wir in diesem Artikel vier Fragen:

  • Was ist rollenbasiertes Arbeiten?
  • Welche Chancen liegen in dieser Organisationsform?
  • Welche Rahmenbedingungen braucht solch eine Organisation?
  • Wie kommen Sie von einer Hierarchie zu rollenbasierten Strukturen?

Lassen Sie uns im ersten Schritt ein gemeinsames Verständnis von vom rollenbasierten Arbeiten schaffen.

Definition: Rollenbasiertes Arbeiten

Was ist rollenbasiertes Arbeiten?

Die Schlüsselfrage bei dieser Organisationsform ist: „Welche Rollen brauchen wir in unserem Team / unserem Unternehmen, um alle Aufgaben in guter Qualität und angemessener Zeit zu erfüllen, die für die Erreichung unserer Ziele erforderlich sind?“

Eine Rolle bildet die Verantwortlichkeit eines sinnvollen Aufgabenbündels ab. Mit einer Rolle sind alle Entscheidungskompetenzen verknüpft, die es zur Erledigung des Aufgabenbündels braucht. Eine Rolle existiert nur so lange, wie die dazugehörigen Aufgaben existieren.

Rollenbasiertes Arbeiten: Abgrenzung zu anderen Organisationsformen

Was ist der Unterschied zwischen hierarchischen Strukturen und rollenbasierten Organisationsformen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Unternehmen zu organisieren. Wie in meinem Artikel „Organische Strukturen – Voraussetzung für dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit“ erläutert, ist einzig und allein entscheidend, die Strukturen so zu wählen, dass sie produktives Arbeiten ermöglichen und einen Raum schaffen, in dem die Mitglieder einer Organisation dauerhaft mit Kopf und Herz daran arbeiten, die vereinbarten Ziele zu erreichen.

Hierarchische Organisationsform

Die hierarchische Organisationsform zeichnet sich durch eine klare Trennung der Entscheidungsebenen aus. Die Folge sind meistens lange Entscheidungswege, intransparente Informationen und wenig Agilität.

Organisationsform Hierarchie - netzwerk managementberatung | coaching
Hierarchische Organisationsform

Unternehmen, die in Hierarchien denken, besetzen Führungsebenen und Positionen. Beides muss nicht zwingend an Aufgaben gekoppelt sein und zieht das Risiko einer fehlenden Rollenklarheit nach sich.

Ferner führen Ebenen bzw. Hierarchien zu Machtstrukturen und Statusdenken. Bei einer Veränderung der Organisationsstruktur kommt es daher oft zu Widerständen, die in der Angst vor Status- und Machtverlust begründet sind.

Rollenbasierte Organisationsform

Die Grundlage der rollenbasierten Organisationsform sind konkret zu erledigende Aufgaben. Rollen sind also an Aufgaben gebunden, nicht an Menschen. Das eröffnet drei Chancen:

1. Alle Rollen existieren gleichberechtigt nebeneinander. Dadurch erhöht sich die Chance, dass alle Rolleninhaber auf Augenhöhe arbeiten.

Organisationsform freies Netzwerk - netzwerk managementberatung | coaching
Rollenbasierte Organisationsform

2. Da alle Aufgaben zum unternehmerischen Erfolg beitragen, ist das Risiko, dass sich Macht- und Statusdenken in der Organisation einnisten, geringer.

3. Strukturen lassen sich leichter verändern.

Was sind Gemeinsamkeiten beider Organisationsformen?

Auch wenn es vielleicht nicht auf der Hand liegt, gibt es verschiedene Gemeinsamkeiten zwischen beiden Organisationsformen. Wir konzentrieren uns nachfolgend auf die wesentlichen.

Stärkenbasierte Besetzung von Rollen bzw. Positionen

In der Literatur wird das stärkenbasierte Arbeiten oft als Vorteil der rollenbasierten Organisationsform genannt. Das sehe ich anders. Die Tatsache, dass in einer Organisation Rollen definiert sind, heißt nicht automatisch, dass die Rolleninhaber dafür aufgrund ihrer Stärken und Kompetenzen geeignet sind. Dieser Schritt muss aktiv auch beim rollenbasierten Arbeiten aktiv gegangen werden.

Die Chance, eine Position bzw. Rolle stärkenbasiert zu besetzen, liegt allen Organisationsformen inne, auch der hierarchischen.

Wirksame Führung ist der Schlüssel

Beide Organisationsformen brauchen Führung. Fehlt eine zielgerichtete Führung, verlieren sie beide an Kraft und Wirksamkeit. Beide Organisationsformen brauchen Klarheit. Klarheit in Bezug auf Verantwortlichkeiten, Prozesse und Schnittstellen.

Wir erleben in unserer Arbeit immer wieder, das Unternehmen viel Zeit, Geld und Nerven in die Veränderung der Organisationsstruktur stecken, obwohl der Hebel zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und einer gesünderen Unternehmenskultur in der Führung liegt.

Beide Organisationsformen profitieren von einer Vertrauenskultur

Unternehmen, in denen eine Vertrauenskultur fest verankert ist, sind in der Regel leistungsfähiger, als Unternehmen, in denen eine Angstkultur herrscht. Deshalb profitieren sowohl hierarchisch organisierte Unternehmen davon als auch Organisationen, die rollenbasiert arbeiten. Immer dann, wenn Menschen im Rahmen ihrer Verantwortlichkeiten selbstständig agieren, ist Vertrauen die Grundlage.

Beide Organisationsformen brauchen eine transparente Kommunikation

Eine transparente Kommunikation und ein transparenter Informationsfluss zählen zu den Eckpfeilern aller gesunden Unternehmen – egal wie sie organisiert sind. Auch hierarchisch organisierte Unternehmen können sich dafür entscheiden, Informationen empfängergerecht bereit zu stellen und müssen nicht einem Top-Down-Prozess folgen.

Beide Organisationsformen gewinnen durch Kooperation

Produktivität, Agilität und Qualität nimmt in beiden Organisationsformen zu, wenn eine Kultur der Zusammenarbeit gegeben ist. Diese unternehmensweite Kooperationsfähigkeit wird beim rollenbasierten Arbeiten stärker gefördert. Fehlt diese Qualität in Unternehmen, tritt das durch rollenbasiertes Arbeiten schneller zu Tage.

Rollenbasiertes Arbeiten: Chancen und Anwendungsgebiete

Welche Chancen liegen im rollenbasierten Arbeiten?

Vielleicht haben Sie beim Lesen der letzten Abschnitte den Eindruck gewonnen, dass es gar nicht so viele Unterschiede zwischen den beiden Organisationsformen gibt. Und die Frage, die in Ihrem Kopf entstanden ist, lautet: „Wofür brauche ich überhaupt rollenbasiertes Arbeiten?“ Lassen Sie mich deshalb nun auf weitere Chancen eingehen, die mit dieser Organisationsform verbunden sind.

Rollenbasiertes Arbeiten bildet eher die Bedürfnisse der neuen Arbeitnehmergeneration ab

In meinem Artikel „New Work – was steckt hinter dem Megatrend?“ gehe ich u.a. darauf ein, welche zentralen Fragen das Arbeitsverständnis unserer Zeit bestimmen. Neben der Sinnstiftung geht es dabei vor allem um die Abgrenzung zwischen Mensch und Maschine bzw. Mensch und KI. Mit der sich weiterentwickelnden Intelligenz der Maschinen verändert sich unser menschliches Selbstverständnis von Arbeit. Arbeit sollte Sinn stiften, sie sollte Gestaltungsspielräume bieten und Selbstverwirklichung ermöglichen.

Diesem Wunsch, den vor allem junge Mitarbeiter immer stärker verspüren, lässt sich eher in rollenbasierten Organisationen mit flachen Hierarchien Rechnung tragen.

Rollenbasiertes Arbeiten fördert die Selbstwirksamkeit von Mitarbeitern und Teams

Wird eine rollenbasierte Struktur mit allem, was diese für den Erfolg braucht, eingeführt, stärkt sie aktiv das Verantwortungsgefühl und die Selbstwirksamkeit von Mitarbeitern und Teams. Sind die Rollen mit dazu gehörigen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet, gewinnen Unternehmen mit dieser Organisationsform an Geschwindigkeit, Qualität und Agilität.

Rollenbasiertes Arbeiten erleichtert Veränderungen

Dadurch dass Rollen an Aufgaben geknüpft sind und nicht an Personen, sinkt das Risiko eines Statusdenkens. Weniger Statusdenken bedeutet weniger Angst, dass Status im Rahmen von Veränderungs- und Reorganisationsprozessen verloren geht. Dadurch verringert sich der Widerstand, den viele beim Umbau hierarchischer Unternehmen erleben.

Welche Rahmenbedingungen braucht eine rollenbasierte Struktur?

Ich habe es im Abschnitt „Gemeinsamkeiten beider Organisationsformen“ bereits angedeutet. Unabhängig von der Organisationsstruktur müssen zentrale kulturelle Rahmenbedingungen gegeben sein, damit eine Organisationsform wirksam ist. Das trifft auch auf das rollenbasierte Arbeiten zu. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen:

  • Zielklarheit
  • Rollenklarheit
  • Stärken- und kompetenzbasierte Besetzung der Rollen
  • Ausstattung der Rollen mit allen notwendigen Entscheidungskompetenzen
  • Vertrauenskultur
  • Informationstransparenz
  • Kooperation
  • zielgerichtete Führung

Wie kommen Sie von einer hierarchischen Struktur zu einer rollenbasierten Struktur?

Unternehmen, die eine hierarchische Struktur durch eine rollenbasierte Struktur ersetzen wollen, tun sich meistens schwerer als Start-ups, die von Anfang an in Rollen denken. Nichts desto trotz kann eine Reorganisation auch in hierarchisch organisierten Unternehmen gelingen. Was ist konkret zu tun?

  1. „Vom Ende her“ denken und Zielklarheit herstellen
    Die Initialfrage ist immer: „Was wollen wir als Unternehmen bis wann erreicht haben?“
  2. Ist-Situation definieren
    Wie bei jedem Vorgehen, ist neben der Zielklarheit auch die Ist-Situation zu definieren. Die Frage: „Wo stehen wir als Unternehmen jetzt?“, gilt es zu beantworten.
  3. Aufgaben ableiten
    „Welche Aufgaben sind zu erledigen, um die definierten Ziele zu erreichen?“, ist die Leifrage für diesen Prozessschritt. Entscheidend hierbei ist, dass alle Aufgaben zu identifizieren sind, nicht nur Zusatzaufgaben, sondern auch die Aufgaben des Tagesgeschäftes. Denn, wenn Sie diese nicht mehr erledigen würden, würden Sie Ihre Ziele nicht erreichen.
  4. Aufgaben zu sinnvollen Clustern zusammenfassen
    Die Vorstufe zu den Rollen bilden sinnvolle Aufgaben-Cluster. Fassen Sie die Aufgaben zu Clustern zusammen und benennen Sie diese Cluster.
  5. Cluster-Namen in aussagekräftige Rollenbezeichnungen überführen
  6. Rollen stärken- und kompetenzbasiert verteilen
    Das ist ein entscheidender Schritt. Wenn Sie bei der Verteilung der Rollen nicht darauf achten, dass Stärken und Kompetenzen zu der Rolle passen, riskieren Sie, dass Rollen nicht oder nicht vollumfänglich ausgefüllt werden. Mehrere Personen können eine Rolle ausfüllen. Eine Person kann mehrere Rollen inne haben.
  7. Rollen ausstatten
    Viele Unternehmen führen diesen Schritt nicht, nicht richtig oder zu spät durch. Er gehört aber dazu, wenn das rollenbasierte Arbeiten funktionieren und zu mehr Selbstwirksamkeit, Geschwindigkeit und Agilität führen soll. Die zwei Leitfragen lauten: „Was braucht der Rolleninhaber, um seine Rolle vollumfänglich ausfüllen zu können?“ und „Welche Kompetenzen sind mit der Rolle zu verknüpfen, damit sie wirksam ausgefüllt werden kann?“. Dazu zählen beispielsweise Qualifikationen, Informationen, Entscheidungsbefugnisse, Budget, zusätzliche Manpower, eine bestimmte Infrastruktur, Arbeitsergebnisse anderer Rollen in einer bestimmten Qualität.
  8. Feedbackgrundlage für jede Rolleninhaber definieren
    Eine Voraussetzung für gezielte Führung und Weiterentwicklung einer rollenbasierten Struktur ist, wie in anderen Organisationsformen auch, das Feedback. Um konstruktives Feedback geben zu können, braucht es eine klare Erwartungshaltung. Diese können Sie über folgende Frage schaffen: „Woran siehst du / sehe ich / sehen andere, dass du deine Rolle vollumfänglich ausfüllst?“ Achten Sie bei den Antworten auf messbare Ergebnisse und konkret wahrnehmbares Verhalten.

Fazit: Von hierarchischen Strukturen zu rollenbasiertem Arbeiten

Ein Wechsel der Organisationsform gelingt, wenn der Prozess bis zum Ende geführt und in zentrale kulturelle Rahmenbedingungen eingebettet ist

Der Wechsel von einer hierarchischen hin zu einer rollenbasierten Struktur bringt dann konkreten unternehmerischen Nutzen, wenn er in zentrale kulturelle Rahmenbedingungen wie Zielklarheit, Vertrauenskultur und Informationstransparenz eingebettet ist. Auch rollenbasierte Strukturen brauchen eine wirksame Führung und sind dann produktiv, wenn die Rollen zu den Stärken und Kompetenzen der Rolleninhaber passen.

Der Reorganisationsprozess umfasst acht Schritte und muss von einer transparenten Kommunikation begleitet sein. Alle Mitglieder der Organisation müssen verstehen, was passiert, warum dieser Wechsel der Organisationsform zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich ist, was sie gewinnen und wie der Wechsel abläuft.

Wenn Sie eine solche Reorganisation durch uns begleiten lassen möchten, nehmen Sie mit uns Kontakt auf.

Haben Sie beim Lesen des Beitrags Impulse erhalten?

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