Umgang mit Low Performern - netzwerk managementberatung | coaching
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Führung

Umgang mit Low Performern

Von Sabine Walter, Head of netzwerk managementberatung | coaching

Im Führungskräfte-Coaching werden wir oft gefragt: „Wie gehe ich am besten mit Low Performern um?“. Es gibt auf diese Frage keine pauschale Antwort. Vielmehr lädt sie dazu ein, das Thema differenziert zu betrachten. In diesem Artikel gehe ich auf folgende Fragen ein: Wie finden Sie die Ursache(n) für den Leistungsabfall oder die Minderleistung heraus? Wie können Sie ein entsprechendes Mitarbeitergespräch strukturieren und führen? Was können Sie tun, um eine Leistungssteigerung zu erreichen?

Grundlagen

Low Performer | Begriffsklärung

Unter Low Performern verstehe ich Menschen, die entweder hinter den Erwartungen oder aber ihren Möglichkeiten zurückbleiben und ihre Rolle sowie die damit verbundenen Aufgaben nur unterdurchschnittlich ausfüllen.

Wir erleben immer wieder Situationen, in denen solchen Menschen entweder sehr schnell gekündigt oder das Thema aus Angst, die Stelle nicht nach besetzen zu können, ausgesessen wird. Beide Strategien sind nicht zielführend. Daher geben wir in diesem Artikel Impulse, welche alternativen Handlungsoptionen es gibt.

Um die richtigen Handlungsoption auszuwählen, bedarf es im ersten Schritt einer Ursachenforschung.

Umgang mit Low performern — Tipps

Mögliche Ursachen für Low Performance

Wollen Sie wirklich verstehen, was dem Leistungsabfall oder der Minderleistung zu Grunde liegt, empfehle ich Ihnen, tiefer einzutauchen, da entsprechende Ursachen sehr vielfältig sein können.

Zu allererst gilt es zwischen eine plötzlichen Leistungsabfall und einer andauernden Minderleistung zu differenzieren. Wir betrachten zuerst den Leistungsabfall. Leistungsabfall bedeutet, dass die Leistung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt signifikant besser war. In diesem Fall gilt es zu verstehen, was die Verhaltensänderung ausgelöst hat:

Mögliche Ursachen für einen plötzlichen Leistungsabfall beim Mitarbeiter

Ursachen für einen plötzlichen Leistungsabfall eines Mitarbeiters können beim Mitarbeiter selbst liegen. In vielen Fällen liegen Sie (auch) im umgebenden System, also den Strukturen sowie der Kultur des Unternehmens. Schauen wir uns im ersten Schritt mögliche persönliche Ursachen an.

Persönliche Ursachen

  • War / ist der Mitarbeiter krank?
  • Hat sich die familiäre Situation des Mitarbeiters verändert?
  • Hatte der Mitarbeiter einen privaten Schicksalsschlag zu verarbeiten?
  • Hat der Mitarbeiter private Probleme?
  • Konnte einem bestimmten Wunsch / Bedarf / Bedürfnis des Mitarbeiters nicht entsprochen werden? Konnte beispielsweise eine Gehaltserhöhung nicht oder nicht in voller Höhe gewährt werden?

Ursachen, die in systemischen Veränderungen begründet sind

Unserer Erfahrung nach liegen die Ursachen für einen plötzlichen Leistungsabfall in sehr vielen Fällen in dem den Mitarbeiter umgebenden System, also dem Team oder dem Unternehmen. Betrachten wir auch hier mögliche Ursachen:

AUFGABE

  • Hat der Mitarbeiter eine neue Aufgabe bekommen, mit der er unter- oder überfordert ist?
  • Haben sich die Anforderungen an die Aufgabe verändert und wurde dadurch eine Unter- oder Überforderung ausgelöst?
  • Hat die Aufgabe an Attraktivität oder Relevanz für das Unternehmen verloren?
  • Ist nicht mehr klar, warum diese Aufgaben erforderlich sind?

TEAM

  • Gab es einen Vorgesetzten-wechsel?
  • Gab es Veränderungen im umgebenden Team, z.B. sind neue Kollegen hinzugekommen oder haben Kollegen das Team verlassen?
  • Musste der Mitarbeiter das Team wechseln?
  • Gibt es Konflikte im Team?
  • Hat sich der Stellenwert des Teams in der Organisation verändert?
  • Gibt es Konflikte in angrenzenden Teams bzw. an wichtigen Schnittstellen?

VORGESETZTER

  • Hat sich das Feedback-Verhalten des Vorgesetzten verändert?
  • Wird weniger gelobt?
  • Wurde zu unrecht kritisiert?
  • Wurde der Mitarbeiter bloß gestellt?
  • Wurde Vertraulichkeit verletzt?
  • Wurden Jour fixe Termine mehrfach abgesagt, so dass es länger keinen Raum für Austausch gab?
  • Wurden Ideen, die der Mitarbeiter eingebracht hat, nicht ernst genommen?
  • Wurden Fragen oder Einwände des Mitarbeiters ignoriert?
  • Wurden Sorgen oder Ängste des Mitarbeiters nicht ernst genommen?

ORGANISATION

  • Gibt es unklare Ziele?
  • Gibt es Zielkonflikte mit anderen Mitarbeitern / Teams?
  • Haben sich Ziele verändert?
  • Gibt es unklare Rollen und Verant-wortlichkeiten?
  • Haben sich Rollen oder Verant-wortlichkeiten verändert?
  • Gab es Veränderungen in IT-Systemen und / oder Prozessen?
  • Gab es einen Strategiewechsel im Unternehmen, der noch nicht für alle verständlich ist oder auch Ängste schürt?
  • Haben Management-wechsel zu einer anderen Kultur geführt, in der sich nicht alle wiederfinden?

An den genannten Fragen sehen Sie, dass sich ein Leistungsabfall nicht einfach auf den Vorwurf reduziert werden kann: „Der hat keinen Bock mehr.“, sondern aus dem Verständnis der zugrunde liegenden Ursache sich bereits Ansatzpunkte identifizieren lassen, die zu einer Leistungssteigerung führen können.

Betrachten wir nun die Ursachen für eine eine andauernde Minderleistung, bei der der Zeitpunkt des Leistungsabfalls schon so lange zurücklag oder so schleichend war, dass uns der Blick zurück nicht hilft.

Mögliche Ursachen für eine andauernde Minderleistung

Auch hier differenzieren wir zwischen dem Mitarbeiter selbst und dem umgebenden System; vereinfacht können wir jedoch auf die menschlichen Grundbedürfnisse (MASLOW) schauen und analysieren, welches der Grundbedürfnisse verletzt wurde und dazu führt, dass der Mitarbeiter nicht mit Kopf und Herz dabei ist.

Bedürfnispyramide - managementberatung | coaching

Schauen wir uns mögliche Ursachen für die Verletzung der Grundbedürfnisse an:

  • Fühlt der Mitarbeiter sich mit der Aufgabe wohl?
  • Passt die Aufgabe zu seinen Stärken?
  • Kann der Mitarbeiter sich einbringen und gestalten?
  • Kann er den Weg zur Zielerreichung selbst bestimmen?
  • Weiß er, welchen Anteil er an der Erreichung definierter Ziele hat?
  • Wird der Mitarbeiter gesehen und geschätzt?
  • Werden Ideen, die er einbringt, ernst genommen?
  • Hat er eine Rolle inne, die seiner Persönlichkeit, seinen Erfahrungen und Kompetenzen entspricht?
  • Ist der Mitarbeiter mit seinen Aufgaben unterfordert?

Zugehörigkeit ist ganz entscheidend. Wenn sich ein Mensch zu einer Organisation nicht zugehörig fühlt, wird er sich für diese auch nicht engagieren. Folgende Fragen helfen herauszufinden, ob in der fehlenden Zugehörigkeit vielleicht eine Hauptursache für Minderleistung liegt.

  • Fühlt sich der Mitarbeiter im Unternehmen / im Team / im Führungskreis wohl?
  • Kann er sich mit den Unternehmenswerten und der -kultur identifizieren?
  • Trägt der Mitarbeiter die Unternehmensmission, Zielbild und Strategie mit?

Fehlende Sicherheit in Unternehmen wirkt sich nicht nur negativ auf die Leistungsbereitschaft aus, sondern behindert auch die Bereitschaft und die Fähigkeit sich weiterzuentwickeln. Ursachen für eine fehlende Sicherheit liegen oft in mangelnder Transparenz sowie einer Angst- statt Vertrauenskultur. Leitfragen um herauszufinden, ob hier die Ursache für fehlendes Engagement zu finden ist, können sein:

  • Sind dem Mitarbeiter die Ziele klar?
  • Ist die Strategie verstanden?
  • Ist die Rolle verständlich?
  • Sind die Aufgaben klar?
  • Besteht ausreichend Kompetenz, um die Aufgaben und Anforderungen zu erfüllen?
  • Werden die IT-Systeme beherrscht?
  • Wie konstruktiv ist das Kritikverhalten und der Umgang mit Fehlern durch Vorgesetzte und Kollegen?

Die Angst im Team oder dem Unternehmen zu überleben bedeutet, Angst vor Jobverlust. Diese Angst kann unbegründet sein. Sie tritt häufig im Rahmen von intransparenten Veränderungs- und Strategieprozessen auf.

Um zu verstehen, was genau dem Leistungsabfall bzw. der Minderleistung zu Grunde liegen, ist ein Gespräch mit dem Mitarbeiter nötig.

Umgang mit Low performern | FEEDBACK-gespräch

Minderleistung ansprechen

Bevor Sie das Gespräch suchen, sollten Sie dieses vorbereiten. Zentraler Teil der Vorbereitung ist es, in eine Haltung zu kommen, die Ihnen ein konstruktives Gespräch auf Augenhöhe ermöglicht. Wenn Sie es schaffen, mit einem echten Wunsch, verstehen zu wollen, in das Gespräch gehen, sehen Sie den anderen als Teil der Lösung. Diese Haltung ist entscheidend für einen konstruktiven Klärungsprozess.

Vorwürfe oder die Haltung „der andere ist das Problem“ bergen das Risiko einer Eskalation und Verschlimmerung der Situation.

Nachstehend bekommen Sie eine Idee, wie Sie ein Erstgespräch zum Thema Minderleistung führen können.

GESPRÄCHSLEITFADEN UM MINDERLEISTUNG ANZUSPRECHEN
(ERSTGESPRÄCH)

EINSTIEG

  • Vielen Dank, dass du dir Zeit für unser Gespräch nimmst.
  • Bitte nimm Platz. Was möchtest du trinken?

GESPRÄCHSZIEL

  • Ich suche das Gespräch mit dir, da ich schon seit einigen Wochen wahrnehme, dass du nicht mehr mit Kopf und Herz dabei bist.
    (Ich-Botschaft)
  • Das macht mir Sorgen. / Das verwundert mich.
  • Deshalb würde ich zum einen gern verstehen, wie es dir bei uns im Team / mit mir / der Aufgabe geht. Zum anderen würde ich gern mit dir besprechen, was es braucht, damit du wieder Spaß an dem hast, was du tust und dich somit auch voll einbringen kannst.

OK EINHOLEN

  • Passt das für dich?

VERSTÄNDNISFRAGEN STELLEN

  • Wie geht es dir?
  • Auf einer Skala von 0-10, wie wohl fühlst du dich im Team?
  • Wie zufrieden bist du mit deiner Rolle im Team / deinen Aufgaben?
  • Welche Aspekte davon machen dir Freude? Welche nicht?

ZWISCHENZUSAMMENFASSUNG GEBEN UND VOLLSTÄNDIGKEIT ERFRAGEN

  • Vielen Dank für deine Offenheit.
  • Ich habe verstanden, dass …. // Ich höre …. // Du sagst ….
  • (Benennen Sie das Gefühl, das die Schilderung in Ihnen ausgelöst hat, z.B. „Das macht mich betroffen. // Das macht mich traurig. // Ich bin erleichtert, dass wir sprechen.“)
  • Möchtest du noch etwas ergänzen?

LÖSUNGSOPTIONEN ERFRAGEN

  • Was sollten wir denn dringend verändern, damit du dich wieder wohler fühlst // wieder mehr Freude an deinem Job hast // morgens wieder mit mehr Freude ins Büro kommst // abends wieder mit einem zufriedeneren Gefühl nach Hause gehst?
  • Was könntest du verändern? (…) Was noch?
  • Wo brauchst du meine Unterstützung? (…) Wo noch?

VERBINDLICHKEIT SCHAFFEN

  • Dann lass uns festhalten: … (Maßnahmen festlegen)
  • Einverstanden?
  • Wann sollen wir beide uns denn wieder zusammensetzen, um zu besprechen, ob das, was wir vereinbart haben, auch den gewünschten Erfolg hat?

ABSCHLUSS

  • Vielen Dank für deine Offenheit und den vertrauensvollen und konstruktiven Austausch.
  • Wir sprechen uns spätestens am … wieder.
  • Alles Gute!

Wie Sie dem Gesprächsleitfaden entnehmen, empfehle ich, die Lösungsoptionen auch im Dialog zu erarbeiten. Fragen Sie den Mitarbeiter, was er braucht, um wieder mit Kopf und Herz dabei zu sein, anstatt es ihm vorzugeben.

Mitarbeiterführung

Umgang mit Low Performern | Handlungsoptionen

Die zentrale Leitfrage lautet: „Welches menschliche Grundbedürfnis muss bei diesem Mitarbeiter erfüllt sein, damit er wieder mit Kopf und Herz dabei sein kann?“

Die Handlungsoptionen selbst, lassen sich aus den Ursachen ableiten und liegen auf der Ebene des Mitarbeiters, der Vorgesetzten-Mitarbeiterebene oder des umgebenden Systems. Nachstehend erhalten Sie eine kleine Auswahl:

  • Änderung der Rolle / Aufgabe und Verantwortlichkeit, so dass sie besser zu den Stärken passt.
  • Mehr Freiraum, um gestalten zu können
  • Klärung von Konflikten und Stärkung der Vertrauensbasis im Team
  • Qualifizieren, falls das verminderte Engagement seine Ursache im nicht Können hat
  • Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsort
  • Regelmäßiger Raum für vertraulichen Austausch
  • Leistung, Fortschritte und Erfolge anerkennen

Umgang mit Low Performern

Fazit

Die Ursachen für einen plötzlichen Leistungsabfall oder eine dauerhafte Minderleistung sind vielfältig. Eine Ursachenforschung lohnt sich, da sonst das Risiko besteht, vorhandenes Potenzial ungenutzt zu lassen. Unserer Erfahrung nach gibt es nur ganz wenige Mitarbeiter, die wirklich überhaupt keinen Bock auf irgendetwas haben und sich mit dem dargestellten Ansatz nicht erreichen lassen.

Es lohnt sich, das Gespräch zu suchen. Je eher, sie sprechen, desto schneller hat dieser Konflikt eine Chance auf Klärung und desto geringer ist das Risiko der sozialen Ansteckung im Team.

UMGANG MIT LOW PERFORMERN | CHECKLISTE

SITUATION VERSTEHEN

  • Suchen Sie das Gespräch mit dem Mitarbeiter.
  • Überlegen Sie sich im Vorfeld eine Sache, die sie aufrichtig an diesem Mitarbeiter schätzen. Das erleichtert es Ihnen mit der Haltung „Der Mitarbeiter ist Teil der Lösung“ in das Gespräch zu gehen.
  • Stellen Sie vor allem offene Fragen, um die Situation und die Sicht des Mitarbeiters zu verstehen. (siehe Gesprächsleitfaden)
  • Zeigen Sie Verständnis für die Situation.

HANDLUNGSOPTIONEN ENTWICKELN

  • Entwickeln Sie mögliche Handlungsoptionen gemeinsam mit dem Mitarbeiter.
  • Fragen Sie, was der Mitarbeiter braucht, statt ihm ihre Vorschläge vorzugeben. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass er mehr Verantwortung für das Gelingen dieser Optionen nimmt.

VERBINDLICHKEIT HERSTELLEN

  • Vereinbaren Sie konkrete Maßnahmen und begleiten Sie deren Umsetzung.

FORTSCHRITTE ANERKENNEN

  • Nehmen Sie Fortschritte, auch kleine, wahr und erkennen Sie diese an.
  • Schauen Sie, wann Sie den nächsten Schritt im Rahmen der Entwicklung des Mitarbeiters gehen können.

Wenn Sie die wirklichen Ursachen für die Low Performance gefunden haben und die Maßnahmen dazu beitragen, diese zu beseitigen, haben Sie sehr gute Chancen, aus dem Low Performer einen Top Performer zu machen.

Sollten Sie ein entsprechendes Mitarbeitergespräch trainieren wollen, geht das im Rahmen eines Coachings.

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Falls Sie den Mitarbeiter trotz mehrfacher Gespräche nicht erreichen und einen fairen Trennungsprozess einleiten möchten, bekommen Sie arbeitsrechtliche Beratung von meiner Kollegin Dr. Julia Friemel.

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