Sabine Walter - netzwerk managementberatung | coaching
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7 Min.

Interview – Tomislav Bodrozic im Gespräch mit

Sabine Walter, Executive Coach

Sabine Walter | Personal- und Organisationsentwicklerin mit Kopf und Herz

Sabine, was liebst du an deinem Beruf?

Da gibt es wirklich vieles. Am meisten liebe ich es, gestalten zu können, Dinge voranzubringen, etwas zu bewegen. Ich schätze es sehr, die Menschen und Organisationen, mit denen ich arbeite, ein Stück mehr in ihre eigene Kraft und in ihr Potenzial zu bringen. Das ist Herzstück meiner Arbeit und Lohn zugleich. Hinzu kommt der Abwechslungsreichtum. Kein Projekt ist wie ein anderes, kein Mensch und keine Organisation. Ich muss immer wieder neu wahrnehmen, muss mich immer wieder auf jeden einzelnen Menschen einlassen. Wenn ich den Wunsch nicht hätte, Menschen kennenzulernen und hinter die Fassade zu blicken, dann wäre ich in diesem Beruf wahrscheinlich gar nicht richtig.

Außerdem liebe ich als Selbständige die Freiheit. Ich genieße es, meine Zeit frei einzuteilen und die Projekte aussuchen zu können. Ein wesentliches Entscheidungskriterium dabei ist: Wo stimmt die Chemie? Wo gibt es eine Chance auf eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit? Das ist in meinem Beruf wahnsinnig wichtig, weil das maßgeblich zum Erfolg beiträgt. 

Früher habe ich mehr Trainings gemacht. Und da war jedes Training wie ein Bühnenauftritt. Ich habe als Kind und Jugendliche viel musiziert, sowohl im Konzerthaus als auch in der Oper. Genau wie beim Konzert hatte ich auch vor den Trainings Lampenfieber und ein Grummeln im Bauch. Das hat mittlerweile sehr stark abgenommen. Es gibt vereinzelt Projekte, wo ich das noch spüre. Aber gerade im Persönlichen Coaching habe ich das nicht. Weil ich mir auch die Chance gebe, mit jedem meiner Coachees vorher mindestens zu telefonieren, um herauszufinden, worum es geht und um zu prüfen, ob die Chemie eine Chance hat zu stimmen.

Wie bist du zum Executive Coach geworden?

Ich hatte in jungen Jahren das Glück, sehr schnell Verantwortung bei Bertelsmann zu übernehmen und war zuständig für die Sanierung eines Bereiches. Da hatte ich mit vielen Executives zu tun, also mit Führungskräften und Vorständen. Damals war ich Ende 20, und das war ein toughes Business. Auch, weil ich eine Frau in einer Männerwelt war. Aber ich habe es damals schon geschafft, gewisse Regeln zu etablieren und erfolgreich zu sein. 

Diese Erfahrungen aus der Industrie haben mir geholfen, eine hohe strategische Kompetenz zu erlangen. Ich habe ein fundiertes betriebswirtschaftliche Know-how. Ich habe geführt und Transformation gemanagt. Diese Erfahrungen sind für meine Kunden, also für obere Führungskräfte, Geschäftsführer und Vorstände relevant. Dadurch sprechen wir sehr schnell über das Wesentliche.

Personal- und Organisationentwicklung als Traumberuf

Ist das für dich ein Traumberuf?

Ja. Es ist sogar eine Berufung. Ich könnte mir viele andere Traumberufe vorstellen, weil mich viele Dinge interessieren. Eigentlich wollte ich ja Musiktherapeutin werden. Ich wollte Musik nutzen, um schwerstkranke und behinderte Menschen zu heilen, vor allem Kinder. Damals hätte man dafür in Deutschland Musik studieren und sich danach spezialisieren müssen, weil es damals kein anerkannter Beruf war. In Frankreich hätte man Medizin studieren müssen und hätte sich dann spezialisiert. Beides war jedoch keine Option, weil ich Medizin nicht wollte und mein Vater Musik als brotlose Kunst verstand. Er hat mich in Richtung Bankausbildung gelotst – das war auch eine gute Grundlage für meinen weiteren Lebensweg.

Vor dem Hintergrund würde ich schon sagen, dass ich jetzt da bin, wo ich gerne sein wollte, nämlich Menschen zu helfen. Aber ich bin noch immer neugierig, wohin die Reise geht. Die Reise ist noch nicht beendet.

Was überrascht dich selbst nach so vielen Jahren noch immer bei deiner Arbeit? Und warum überrascht es dich?

Mich überraschen immer wieder zwei Dinge. Zum einen, wie wenig der Mensch als wertvolle Ressource in den Unternehmen wirklich anerkannt wird. Und zum anderen, wie wenig Führungskräfte tatsächlich die Essenz des Führens verinnerlicht haben und leben. Wie wenig sie Menschen in den Mittelpunkt ihres Führens und Handelns stellen. Das hat sich in den letzten 20 Jahren kaum entwickelt.

Das Thema Vertrauen ist noch immer fragil. Es wird nicht primär als Basis für wirtschaftlichen Erfolg gesehen; in den meisten Unternehmen sind Vorgaben, Kontrolle und Reportings Alltag, anstatt zu erkennen, dass es um Vertrauen und Ermächtigung geht und darum, Mitarbeiter für etwas zu begeistern und ihnen Freiräume zu geben.

Wenn es Führungskräften gelingt, den Mitarbeitern einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, dann haben sie größere Chancen, dass die Mitarbeiter auch ihnen Vertrauen schenken. Außerdem führt es dazu, dass im Team untereinander vertraut wird. Das hat als Auswirkung, dass Menschen sich zeigen, wie sie sind, und sie trauen sich auch, Fehler zu machen und quer zu denken. Weil sie sicher sein können, dass alles wohlwollend aufgenommen wird. Das führt zu weniger Konflikten und Missverständnissen, und zu mehr Teamarbeit und Austausch im Team und damit zu mehr Ideen und weniger Reibungsverlusten. All das sind wichtige Faktoren für Erfolg, auch den wirtschaftlichen.

Wann kommen dir die besten Ideen?

Einerseits, wenn ich mit anderen im Austausch bin, also wenn ich mit meinen Kollegen oder meinem Partner über Themen spreche. Manchmal aber auch, wenn ich etwas Spannendes lese oder sehe oder höre – dann wird etwas getriggert.

Oft kommen mir aber auch die besten Ideen mitten bei der Arbeit, also beim Coaching mit der Person selbst oder dem Workshop mit der Gruppe. Das ist ein Merkmal von mir: Ich mache zwar einen groben Plan, aber es wird nie so laufen wie geplant. Weil in der Situation bessere Ideen kommen können. Ideen, die in der Situation diese Gruppe oder diese Person noch schneller zum Ziel führen. 

Personal- und Organisationsenwicklung im Jahr 2050

Wie wird dein Beruf im Jahr 2050 aussehen?

Ich habe mir diese Frage tatsächlich noch nie gestellt. Ich habe mir eher die Frage gestellt: „Werde ich im Jahre 2050 noch das machen, was ich gerade mache?“ Weil es noch so viele Dinge gibt, die ich gerne noch tun würde. 

Aus meiner Sicht ist dieser Beruf im Jahr 2050 gar nicht so viel anders. Ich vermute, dass durch die Digitalisierung und künstliche Intelligenz es in unseren Unternehmen noch stärker darauf ankommen wird, wirklich Menschen zu finden, die ihre Aufgabe mit Freude und Eigenverantwortung und Wirkung tun. Und das gelingt nur, wenn sie voll hinter dem stehen, was sie machen. Wenn sie Dinge tun, die zu ihren Stärken passen. Und wenn sie Gestaltungsraum und -möglichkeiten haben. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es darum geht, die Leute noch schneller in eine Wirksamkeit zu bringen. Das Thema Coaching wird dann vielleicht sogar Standard werden.

Darüber hinaus werden Konzepte wie Blended Learning weiter an Relevanz gewinnen. Man muss sich dann überlegen, was wird denn zum Beispiel in einem Serious Game abgebildet, was erfolgt in Präsenztrainings, was sind Themen und Inhalte für Coachings, und wo kann ich Lernen mit Videos und anderen Medien anreichern? Diese Verknüpfung von Online- und Offline-Welt wird sicherlich noch stärker werden und auch in den Unternehmen voll akzeptiert sein. Aber ich glaube, dass der menschliche Kontakt und das Herauskitzeln des menschlichen Potenzials nach wie vor da sein und an Bedeutung sogar zunehmen wird. Und dafür wird es auch in Zukunft noch immer Coaches geben.

Für 2050 wünsche ich mir, dass der Beruf des Coaches eine Form von Schutz erfährt. Denn aktuell ist Coaching kein geschützter Beruf, das heißt es kann jeder ein Schild an seine Tür hängen auf dem „Coaching“ steht. Entsprechend divers ist der Markt, und entsprechend viel schlechte Qualität gibt es. Mein Wunsch wäre es, diesen Beruf in Zukunft mit einem Qualitätssiegel zu schützen.

Sabine Walter ist studierte Betriebswirtin. Seit 2008 führt sie dieses Netzwerk erfolgreich. Als Executive Coach begleitet sie Führungskräfte, deren Teams und Organisationen bei ihrer Weiterentwicklung und hilft ihnen so dabei, ihr Potenzial „auf die Straße zu bringen“.

Das Interview führte Tomislav Bodrozic.

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