Change Management - Umgang mit Widerständen in Veränderungsprozessen - managementberatung | coaching
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Change Management | Kontinuierliche Verbesserung

Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen

Von Sabine Walter, Head of netzwerk managementberatung | coaching

„Das haben wir schon immer so gemacht!“, ist wohl die häufigste Killerphrase, wenn es darum geht, Bekanntes zu verteidigen und neue Wege, Ideen, Verbesserungen; kurz Veränderungen; zu behindern oder zu stoppen. Ich gebe in diesem Artikel sieben Handlungsoptionen, die dazu beitragen sollen, die Anzahl an Killerphrasen, also die Häufigkeit an Widerstand zu minimieren. Die achte Handlungsempfehlung zeigt Ihnen, wie Sie Killerphrasen rhetorisch entkräften.

Wenn wir in unseren verschiedenen Soft Skill Trainings das Modul „Umgang mit Widerständen“ erreichen, sind die Sätze: „Das geht nicht!“ bzw. „Das haben wir schon immer so gemacht!“ sehr präsent – spiegeln sie doch deutlich wider, was vielen, die Veränderungen in Unternehmen umsetzen möchten, begegnet: Widerstand.

Widerstand Change Management

Widerstand in Veränderungsprozessen ist normal

Widerstand in Veränderungsprozessen ist normal. Denn, Verhalten, Abläufe, Prozesse und Vorgehensweise zu verändern, bringt uns Menschen aus der Komfortzone. Sicherheit schwindet. Die Angst zu scheitern, nimmt zu. Daher ist es normal, dass Menschen versuchen, ihre Sicherheit „zu verteidigen“, in dem sie das Neue erst einmal in Frage stellen oder blockieren.

Ist der Widerstand zu groß, behindert er natürlich jegliche Form der Weiterentwicklung und untergräbt dadurch auf Dauer auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Was können Sie also konkret tun, um Widerstände in Veränderungsprozessen zu minimieren?

Umgang mit Widerstand in Veränderungsprozessen: Handlungsempfehlungen

Mit Widerstand in Veränderungsprozessen souverän umgehen

Nachstehend erhalten Sie von mir Handlungsempfehlungen, die Sie dabei unterstützen sollen, Widerstände in Veränderungsprozessen zu minimieren, Innovationsbarrieren abzubauen, kontinuierliche Verbesserungsprozesse in Unternehmen umzusetzen und die Mitarbeitermotivation zu erhöhen.

Handlungsempfehlung N°1: Widerstand in den Gesamtkontext einordnen

In einem ersten Schritt hilft es, wenn Sie den Widerstand gegenüber Neuerungen in den (kulturellen) Gesamtkontext Ihres Unternehmens einordnen:

  • Welche Kultur herrscht in Ihrem Unternehmen? Haben Sie eine Vertrauenskultur oder dominiert die Angstkultur?
  • Herrscht eine Null-Fehler-Denke oder eine Fehlertoleranzkultur?
  • Welche Veränderungskultur leben Sie in Ihrem Unternehmen? Wie häufig werden Prozesse und Strukturen verändert? Sind diese Veränderungen für alle verständlich? Wie sinnvoll sind diese Veränderungen?
  • Wie überlastet sind die Mitglieder Ihrer Organisation? Wie viel Zeit bleibt, um sich mit neuen Themen wirklich auseinanderzusetzen?
  • Wie ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens? Geht es ihm gut oder wird gerade massiv gespart?

Handlungsempfehlung N°2: Vorherrschende Sorgen und Ängste antizipieren

Das Verständnis des kulturellen Gesamtkontextes hilft Ihnen dabei, zu antizipieren, welche Sorge sich hinter dem Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht.“, verbergen könnte.

  • Ist es die Sorge, Fehler zu machen und nicht ab Tag 1 des neuen Vorgehens perfekte Qualität zu liefern?
  • Welche Rolle spielt die Angst, am Ende der Neuerung nicht mehr gebraucht zu werden oder an Einfluss zu verlieren?
  • Ist es die Sorge, nicht ausreichend Zeit zu haben, das Neue zu durchdenken und in Ruhe zu implementieren?
  • Könnten grundsätzlich Zweifel an der Sinnhaftigkeit bzw. dem Nutzen von neuen Ideen bestehen?

Damit wir Menschen neue Wege gehen und Verhalten ändern, müssen wir unsere Komfortzone verlassen. Das tun wir vor allem, wenn wir uns emotional sicher fühlen. Diese Gefühl stellt sich ein, wenn wir vertrauen: zum einen in die Person, die uns die neue Idee vorstellt, zum anderen in die drei W’s – das Was, Warum und Wie. Und letztlich müssen wir am Ende das Gefühl haben, den neuen Anforderungen gewachsen zu sein und brauchen Raum und einen vertrauensvollen Ansprechpartner, um ihre Sorgen und Ängste zu artikulieren.

Wer mehr zur Rolle von Vertrauen in Veränderungsprozessen erfahren möchtet, findet Impulse im Artikel „Veränderung braucht Vertrauen“.

Handlungsempfehlung N°3: Zwischenmenschliches Vertrauen durch konsequente Beziehungspflege ausbauen

Sie alle kennen den Eisberg. Wendet man dieses Modell auf die Ebenen an, in denen wir Menschen interagieren, ist die Sachebene der eher untergeordnete Teil – auch im Berufsleben. Die Ebene, die eine zentrale Rolle spielt, ist die Beziehungsebene.

Eisberg - Sachebene - Beziehungsebene - managementberatung | coaching
Eisberg mit Sach- und Beziehungsebene

Die Beziehungsebene, also das Verhältnis, das Sie zu den Kollegen haben, die Empfänger Ihrer neuen Ideen bzw. Betroffene der Veränderungen sind, ist immer da. Entweder ist sie vertrauensvoll oder nicht, aber abwesend ist sie nie. Deshalb investieren Sie in diese Beziehungen, seien Sie ehrlich und aufrichtig und stellen Sie so Vertrauen her.

Handlungsempfehlung N°4: Vorschläge überzeugend vorstellen

Diese Handlungsempfehlung zielt auch auf das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit ab. Denn, wenn wir etwas nicht verstehen, fühlen wir uns unsicher und lassen uns in der Regel auch auf das Neue nicht ein. Deshalb achten Sie darauf, dass Sie Vorschläge und Ideen verständlich und für alle nachvollziehbar formulieren. Unser Vorschlagscanvas soll Ihnen dabei helfen, Ihre Gedanken zu strukturieren.

CANVAS-Struktur, um Vorschläge zur Entscheidung zu bringen
CANVAS zur Entwicklung von Ideen und Vorschlägen

Mehr Impulse zur Kommunikation in Veränderungsprozessen gibt es in unserem Newsletter-Archiv.

Handlungsempfehlung N°5: Binden Sie andere in die Erarbeitung neuer Ideen ein

Wir Menschen unterstützen erfahrungsgemäß eher Ideen und Vorschläge, die wir selbst mitentwickelt haben. Deshalb entwickeln Sie neue Ideen nicht im stillen Kämmerlein sondern nehmen Sie eher die Rolle des Ideenmoderators ein. Formulieren Sie Fragestellungen, die es zu beantworten gilt und stellen Sie Expertenteams zusammen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Moderieren und dokumentieren Sie den Prozess.

Bei der Formulierung der Fragen sollten Sie darauf achten, dass Sie lösungsfokussiert sind und zum Nachdenken einladen. Hier einige Beispiele für lösungsfokussierte Fragen:

  • Wie gelingt es uns, die Produktionszeit um 1 Tag zu verkürzen?
  • Wie schaffen wir es, den Ausschuss um 10% zu senken?
  • Was müssten wir tun, um die Materialkosten um 15% zu reduzieren ohne, dass wir Qualitätseinbußen haben oder die Lieferanten unter dieser Kostensenkung leiden?
  • Wie gelingt es uns, die Retourenquote von Artikel X um 30% zu senken?
  • Was muss passieren, mit unsere Fluktuation auf unter 5% sinkt?

Handlungsempfehlung N°6: Stellen Sie eigene Vorschläge ausgewählten Sparringspartnern bzw. einem Sounding Board vor

Diese Handlungsempfehlung zielt darauf ab, einen mehrstufigen Prozess zu nutzen, wenn es darum geht, Neuerungen zu entwickeln und umzusetzen. Wir haben bei unserer Arbeit sehr gute Erfahrung gemacht, zwischen die Stufe der Ideenentwicklung und der Stufe der Veröffentlichung und Umsetzung eine Stufe des Sparrings einzufügen.

Das kann situativ erfolgen, in dem Sie mit Ihrem 80%-Vorschlag zu einem Kollegen, ggf. auch einem zentralen Meinungsbildner gehen und diesen um Rat fragen: „Sag mal, was hältst du denn von …?“. Hören Sie zu, nehmen Sie auf, fragen Sie nach und integrieren Sie gewonnene Impulse in Ihren Vorschlag.

Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, den Prozess des Sparrings zu institutionalisieren und ein Sounding Board in Ihrer Organisation einzuführen. Was versteht sich darunter? Das Sounding Board ist ein Gremium, das entweder aus fest definierten Mitgliedern besteht oder je nach Fragestellung situativ zusammengesetzt wird. Es hat die Aufgabe,

  • Vorschläge anzuhören,
  • in einem ersten Schritt nur Verständnisfragen zu stellen, die von den Ideengebern beantwortet werden,
  • in einem zweiten Schritt Meinungen, Einwände und Bedenken zu äußern sowie dazu passende Lösungsvorschläge einzubringen, so dass die Vorschläge danach beschlussfähig sind.

Durch dieses aktive Sparring steigt in der Regel nicht nur die Vorschlagsqualität sondern auch die Akzeptanz, diese Ideen umzusetzen.

Handlungsempfehlung N°7: Nehmen Sie Einwände vorweg

Wenn Sie, im Vorhinein zur Präsentation der Vorschläge Sorgen und Ängste der Betroffenen antizipieren, können Sie diese Erkenntnisse dafür nutzen, im Rahmen der Präsentation Einwände gezielt vorwegzunehmen. Hier einige Beispiele:

  • „Jetzt mag man sich fragen, was bringt es, wenn wir das anders machen. (Einwand) Der Nutzen der Veränderung, vor allem für euren Bereich ist, …“ (Lösung)
  • „Jetzt herrscht ja bei uns oft der Anspruch vor, dass es ab Minute 1 perfekt laufen muss. Da diese Änderung ein paar Besonderheiten bietet, soll die Umstellung schrittweise erfolgen, um euch auch mit dem neuen Prozess vertraut zu machen.
  • „Vielleicht denkst du jetzt: „Da bin ich ja überflüssig, wenn wir das alles digitalisieren.“ Der Gedanke liegt nahe, doch ist genau das Gegenteil der Fall. Deine Rolle ….“

Handlungsempfehlung N°8: Killerphrase aufnehmen und rhetorisch entkräften

Sollten Sie die vorherigen Impulse bereits aufgegriffen haben und trotz allem tönen Ihnen die Sätze: „Das geht nicht.“, oder: „Das haben wir schon immer so gemacht.“, entgegen, erhalten Sie nachstehend eine Kommunikationsstruktur, die Ihnen hilft, souverän und konstruktiv damit umzugehen. Diese Struktur ist ein Dreischritt: Aufgreifen – Einordnen – Weiterführen. Konkret heißt das:

DAS GEHT NICHT!

Aufgreifen

Ich nehme wahr, dass du Zweifel an dem skizzierten Vorgehen hast. / Du zweifelst an der Machbarkeit. / Ich höre, dass ich dich noch nicht. komplett überzeugen konnte. …

Einordnen

Das verstehe ich. / Das ist berechtigt. / Das tut mir leid. / Ich würde deinen Einwand / die Hintergründe für deine Zweifel gern besser verstehen.

Weiterführen

Wie müssten wir deiner Meinung nach den Vorschlag verändern, damit er funktioniert? … Wie noch?

Entscheidend ist, dass hinter dem, was Sie sagen, die ehrliche Haltung steckt, den anderen verstehen zu wollen. Diese offene und zugewandte Haltung wird sich in Ihrem Ton wiederfinden.

Ich habe eingangs im Artikel geschrieben, dass Widerstand in Veränderungsprozessen normal ist. Sie können also viel souveräner auch auf diese Killerphrase reagieren, wenn Sie vor solchen Gesprächen davon ausgehen, dass Sie Widerstand erhalten. Bleiben Sie neugierig, erforschen Sie die Ursachen und machen Sie den Gesprächspartner zum Mitdenker.

Schauen wir uns das zweite Beispiel an:

DAS HABEN WIR SCHON IMMER SO GEMACHT!

Aufgreifen

Du sagst, der derzeitige Prozess hat sich bewährt. / Du schätzt das aktuelle Vorgehen. / Du bist mit dem, wie es aktuell läuft, zufrieden.

Einordnen

Das ist gut. / Das verstehe ich. / Das überrascht mich. / Das würde ich gern im Detail verstehen.

Weiterführen

Was genau hat sich bewährt? … Was noch? (Versuchen Sie Detailinformationen zu bekommen.)

Interessant.

Mir ist bei diesem Prozess aufgefallen, dass … (jetzt sprechen Sie das Problem an). Wie siehst Du das?

Nehmen wir mal an, wir hätten jetzt die Chance, diese Kleinigkeit zu verändern, wie müssten wir das angehen, so dass der Prozess danach genauso gut funktioniert?

Die letzte Frage ist eine hypothetische Frage. Hypothetische Fragen verringern kognitive und emotionale Hürden. Sie haben sich beim Umgang mit Widerstand bewährt.

Auch hier gilt: Führen Sie das Gespräch mit echtem Interesse und einer zugewandten Haltung. Nur dann wird der Gesprächspartner sich ernst genommen fühlen und die Bereitschaft zeigen, sich einzubringen.

Fazit: Mit Widerständen in Veränderungsprozessen souverän umgehen

Widerstand in Change Prozessen ist normal

Zusammengefasst lässt sich sagen: Widerstand ist normaler Teil von Veränderungen. Erkennen Sie das an. Widerstand entsteht immer dann, wenn menschliche Grundbedürfnisse verletzt wurden oder in Gefahr sind. Alle Handlungsempfehlungen tragen der Wahrung der Grundbedürfnisse Rechnung und helfen Ihnen so dabei, mit dem Widerstand angemessen umzugehen und diesen zu minimieren.

Die Handlungsempfehlungen sind:

  • Ordnen Sie den Widerstand in den Gesamtkontext ein.
  • Antizipieren Sie vorherrschende Sorgen und Ängste.
  • Pflegen Sie vertrauensvolle Beziehungen.
  • Stellen Sie Ihre Vorschläge überzeugend dar.
  • Binden Sie andere in die Entwicklung von Vorschlägen und Ideen ein.
  • Stellen Sie eigene Vorschläge ausgewählten Sparringspartnern bzw. einem Sounding Board vor.
  • Entkräften Sie Killerphrasen mit dem rhetorischen Dreischritt „Aufgreifen – Einordnen – Weiterführen“.

Sollten alle diese Handlungsempfehlungen nicht dazu führen, dass Neues deutlich offener und konstruktiver von Ihrem Umfeld aufgenommen wird, empfiehlt es sich, sich detailliert mit der Unternehmens- und Führungskultur Ihrer Organisation auseinander zu setzen und diese weiterzuentwickeln. Gern unterstützen wir Sie dabei.

Haben Sie beim Lesen des Beitrags Impulse erhalten?

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