Corporate Identity – Schlüsselelement für Mitarbeiterbindung
Nehmen wir mal an, Sie sind bei einem Unternehmen beschäftigt, mit dessen Dienstleistung oder Produkt Sie sich kaum identifizieren. Den Chef nehmen Sie kaum wahr – jetzt im Homeoffice noch weniger. Und die netten Kollegen, der Plausch in der Kaffeeküche, die Tür- und Angelgespräche im Büro oder das gemeinsame Mittagessen sind seit Monaten nicht mehr existent. Mit wie viel Herzblut werden Sie dauerhaft Ihre Aufgabe erledigen?
Mitarbeiter und Führungskräfte bringen sich dann mit Herzblut in die Erledigung ihrer Aufgaben und in die Weiterentwicklung des Unternehmens ein, wenn sie sich mit dem Unternehmen identifizieren. Ob sie das tun, hängt vor allem von der Corporate Identity, also der kulturellen Identität des Unternehmens, ab. Da ich immer wieder erlebe, dass Corporate Identity auf das Logo und die Gestaltung von Visitenkarten, Broschüren und der Webseite reduziert wird, möchte ich an dieser Stelle noch einmal klar umreißen, was die zentralen Elemente der Corporate Identity sind.
Eine starke Corporate Identity wird bestimmt von:
- einem attraktiven Unternehmenspurpose
- der Zielklarheit
- einer starke Vertrauenskultur
- einer wertschätzende Führungskultur: Dazu zählen auch die Feedback-Kultur, die Fehler– und Lernkultur sowie die Kultur der Potenzialentfaltung
- einer vertrauensvollen und transparenten Kommunikationskultur
Alle diese Elemente entscheiden darüber, wie stark Mitarbeiter und Führungskräfte sich mit dem Unternehmen identifizieren und mit wie viel Engagement sie ihre Aufgaben erledigen – egal von welchem Ort aus sie ihre Aufgaben erledigen.
Ist die Corporate Identity schwach ausgeprägt, wird mit der zunehmenden räumlichen Distanz auch die emotionale Distanz zunehmen. Die Identifikation mit dem Unternehmen wird erodieren. Qualität, Kostenbewusstsein, Produktivität werden nachlassen. Innere Kündigungen steigen und münden ggf. in tatsächliche Kündigungen. Die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nimmt Schaden.
Wenn Unternehmen sich also über die zukünftigen Arbeitsformen ihres Unternehmens nach der Pandemie Gedanken machen, ist die Stärke der Corporate Identity zwingend zu untersuchen.
Schauen wir uns die einzelnen Bestandteile der Corporate Identity im Detail an:
Elemente der Corporate Identity
Attraktiver Purpose
Der Purpose eines Unternehmens drückt aus, wofür das Unternehmen steht. Er lässt sich über drei Fragen definieren:
- Was wollen wir der Nachwelt hinterlassen?
- Welches Problem wollen wir lösen?
- Welchen gesellschaftlichen Beitrag wollen wir mit unserem Geschäftsmodell leisten?
Die von der Unternehmensberatung Kienbaum durchgeführte “Purpose Studie“ zeigt, dass die Mehrheit der Arbeitgeber (60%) den Purpose ihres Unternehmens nicht ad hoc benennen kann. Das stimmt nachdenklich, da ein Purpose, der inspiriert und begeistert, immer ein zentrales Element der Identitätsstiftung und einer starken Arbeitgebermarke ist.
Handlungsempfehlung: Purpose schärfen, klar kommunizieren oder gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickeln.
Elemente der Corporate Identity
Zielklarheit
Zielklarheit über alle Führungs- und Mitarbeiterebenen ist das A und O für eine gute Wettbewerbsfähigkeit. Sie gewinnt mit mobilen Arbeitsformen wie dem Homeoffice signifikant an Relevanz. Ziele sollten SMART (spezifisch, messbar, attraktiv bzw. akzeptiert, realistisch und terminiert) und transparent sein. Jeder sollte sich mit den Unternehmenszielen, Bereichs- und Teamzielen sowie den eigenen Zielen identifizieren und wissen, welchen konkreten Beitrag er zur Zielerreichung leistet. Zielkonflikte können dadurch ausgeschlossen werden, in dem der Zielsetzungsprozess gemeinschaftlich erfolgt, Ziele auf den verschiedenen Ebenen aufeinander aufbauen bzw. ineinander einzahlen und offen kommuniziert werden.
Handlungsempfehlung: SMARTe Ziele im Dialog erarbeiten, transparent kommunizieren
Elemente der Corporate Identity
Starke Vertrauenskultur
Vertrauen ist ein Schlüsselelement nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit. Eine starke Vertrauenskultur innerhalb des Unternehmens sichert nicht nur eine ehrliche Feedback-Kultur, sie trägt auch maßgeblich zu einer konstruktiven Fehlerkultur und Konfliktkultur bei und ist damit Grundlage für Innovation, permanentes Lernen und Weiterentwicklung.
Eine starke Vertrauenskultur in einem Unternehmen fordert die Selbstwirksamkeit von Mitarbeitern und Führungskräften, deren Experimentierfreude sowie das unternehmerische Denken und Handeln. Damit strahlt ein vertrauensvolles Miteinander auch immer auf den Markt, also die Kunden, Dienstleister, Kooperationspartner ab.
Jedoch ist Vertrauen nicht statisch. Es entsteht, ist ständigen Veränderungen ausgesetzt, kann dadurch wachsen oder abnehmen. Es ist daher auch für Unternehmen von zentraler Bedeutung, das eigene Miteinander immer wieder in den Mittelpunkt der Beobachtung und des Austauschs zu stellen und an ihm zu arbeiten. “Wie stark vertraue ich dir? Wie stark vertraust du mir? Woran sehen wir, dass wir einander vertrauen?”, sind die zentralen Fragen die zu stellen und zu besprechen sind.
Handlungsempfehlung: In regelmäßigen Abständen eine Vertrauensanalyse durchführen
Stolperfalle Harmonie
Wenn wir in Unternehmen eine Vertrauensanalyse durchführen, merken wir, dass sehr oft Vertrauen mit Harmonie verwechselt wird. Ist das Harmoniebedürfnis in Unternehmen sehr stark ausgeprägt, kann das sogar dauerhaft die Vertrauensbasis schädigen, da Konflikte nicht mehr angesprochen werden, und somit auch keine Chance zu deren Klärung besteht.
Elemente der Corporate Identity
Wertschätzende Führungskultur
Um den Purpose zum Leben zu erwecken und die gesteckten Ziele zu erreichen, ist Führung notwendig. Das Verständnis von Führung ist seit einigen Jahren stark im Wandel. „Agile Leadership“, „Digital Leadership“, „Purpose Driven Leadership“ – um einige der medienwirksamen Schlagworte zu nennen. Im Kern geht es bei nachhaltig wirksamer Führung aus meiner Sicht immer um das Gleiche. Es geht darum, drei Dimensionen in Einklang zu bringen: Markt, Organisation und die Menschen:
Die Schlüsselfrage in Zeiten von Homeoffice ist: Wie schaffen wir es, dass produktives und wertschöpfendes Arbeiten dauerhaft mit Expertise, Engagement und Verantwortlichkeit geschieht?
Das sicherzustellen bedeutet ein Führungsverständnis zu leben, das Potenzialentfaltung des Einzelnen und ganzer Teams in den Mittelpunkt stellt. Das wiederum erfordert vor allem eine belastbare Vertrauenskultur, Zielklarheit, ein ausgeprägtes Systemisches Denken, regelmäßiges konstruktives Feedback, ehrliche Wertschätzung, eine konstruktive Streit- und Konfliktkultur. Es erfordert Freiraum für den Einzelnen und zunehmende Selbstorganisation der Teams. Damit das Ganze mehr bleibt als die Summe seiner Teile, ist eine transparente und vertrauensvolle Kommunikation unabdingbar.
Empfehlung: Führungsverständnis hinterfragen und ggf. neu definieren, das neu definierte Führungsverständnis operationalisieren, so dass es im Alltag auch gelebt wird
Elemente der Corporate Identity
Vertrauensvolle und transparente Kommunikationskultur
Kommunikation ist Ausdruck und Element der Unternehmensidentität gleichermaßen. Ziel der Kommunikation in Unternehmen sollte es immer sein, die Vertrauensbasis zu stärken und Transparenz über Ziele, Ergebnisse, Rollen, Verantwortlichkeiten, Prozesse, Entscheidungen und vieles mehr herzustellen.
Wer braucht zu welchem Zeitpunkt welche Informationen, um weiterhin mit Engagement, Verantwortlichkeit und Expertise – also mit Kopf und Herz am Erreichen der Ziele arbeiten zu können?
Was ist der beste Weg, um diese Informationen zu transportieren? Was muss geschrieben, was gesprochen werden? In welchem Kreis? In welcher Frequenz?
Da durch das Homeoffice viele informellen Austauschmöglichkeiten, wie die Kaffeeküche, die Kantine, das Flur- oder das Gespräch von Schreibtisch zu Schreibtisch wegfallen, sind Unternehmen gefordert, neben virtuellen Plattformen reale Begegnungsräume zu schaffen.
Zukunftsimpulse
Reale Begegnungsräume neu gedacht
Wie das nach Ende der Pandemie aussehen kann, skizziert Susanne Vogel, Diplom-Ingenieurin für Architektur und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Darstellungslehre der TU Dresden. „Potenzielle Begegnungsräume gibt es viele. Wichtig ist, dass sie zur Kultur des Unternehmens passen und Werte des Unternehmens aufgreifen oder sogar unterstreichen.“ Neben klassischen firmeninternen Gemeinschaftsräumen besteht bereits der Trend, „arbeitsbezogene Begegnung auch in Cafés, Restaurants oder in kulturell aufgeladenen Räumen, wie beispielsweise in Museen, Theatern oder Baudenkmalen, stattfinden zu lassen. Diese Entwicklung wird sich sicherlich fortsetzen.“, so Susanne Vogel.
Wichtig dabei ist die Qualität des Raumes und der Bezug, den das Unternehmen zu diesem Begegnungsraum herstellt. „Warum treffen wir uns hier? Welche gemeinsamen Werte verbinden uns mit diesem Ort?“ sind zwei zentrale Fragen, die es transparent zu machen gilt.
Ob diese neuen Formen der Begegnung angenommen werden, hängt auch davon ab, „wo das Unternehmen herkommt und was Mitarbeitende und Kunden bereits gewohnt sind. Unternehmen aus der Kreativ- oder Beratungsbranche, die zum täglichen Austausch oder zur Arbeit oft nicht mehr brauchen, als Kopf, Herz, Laptop, Papier und Stift, fühlen sich gegebenenfalls eher in offenen, kulturell konnotierten Räumen wohler als Mitarbeiter konventioneller Branchen, deren Arbeitsverhalten weniger situativ ist und die etablierte Arbeitsstrukturen gewohnt sind sowie für produktives Arbeiten auch benötigen.“
Generell empfiehlt Susanne Vogel den Unternehmen, deren Mitarbeiter eine breite Homeoffice-Regelung auch nach Ende der Pandemie wünschen, nachzufragen, was diese Mitarbeiter im Homeoffice suchen:
- Möchten sie durch das Home Office Arbeitsweg und Fahrzeit sparen?
- Lassen sich Kinder besser betreuen?
- Können sich Mitarbeiter zuhause besser konzentrieren?
- Werden Konflikte durch die Arbeit von Zuhause reduziert?
- Fühlen sich die Mitarbeiter in der räumlichen Umgebung des eigenen Zuhauses deutlich wohler? Und was genau sind die Wohlfühlfaktoren?
- Ist die Arbeit im Homeoffice ein Weg, Kollegen oder Vorgesetzten, aus dem Weg zu gehen?
- Ermöglicht die flexiblere Arbeitseinteilung durch das Homeoffice den Mitarbeitenden, private Interessen und Bedürfnisse wie körperliche Bewegung/Sport, gesunde Ernährung, künstlerischen Ausdruck sowie soziales Engagement, wie beispielsweise Ehrenämter, besser wahrnehmen zu können und so langfristig erfüllter und zufriedener zu sein?
Die Antworten auf diese Fragen geben zum einen Aufschluss darüber, welche Elemente der Corporate Identity zwingend zu verbessern sind, zum anderen geben sie Impulse, welche Anforderungen Orte der Begegnung erfüllen sollten. „Für manche Unternehmen ist der angemietete Co-Working-Space im Speckgürtel und Einzugsgebiet einer Großstadt die Lösung, um echte Begegnung von einer kleinen Gruppe Kollegen zu ermöglichen und den Arbeitsweg für diese zu verkürzen. Für andere sind es schöner gestaltete Büros mit einem Free Seating Konzept, um nah bei den Kollegen zu sitzen, mit denen man viel zusammenarbeitet und eine hohe kommunikative Interaktion die Arbeitseffizienz steigert. Wieder andere Unternehmen schließen sich vielleicht bei der räumlichen Nutzung vorhandener Flächen mit Kooperationspartnern zusammen und öffnen ihre bisher „geschlossene“ Immobilie anderen Nutzern, mit denen sie ohnehin viel zu tun haben. Andere wiederum ordnen neu, in dem sie firmeninterne Begegnungsräume größer und bedürfnisgerechter gestalten. Dafür werden Arbeitsräume stiller und ermöglichen eine bessere Konzentration.“
Kurzum: Alles ist möglich. Wichtig ist, dass Unternehmen sich darüber im Klaren sind, was durch Begegnung ermöglicht werden soll und wie diese Begegnung stattfinden sollte, damit möglichst viele Mitarbeitende daran teilhaben und das damit verbundene Ziel erreicht wird.
Fazit
Eine starke Corporate Identity wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor von Unternehmen
Die Corporate Identity, also das, was ein Unternehmen ausmacht, gewinnt immer mehr an Bedeutung, wenn die Identität, die Büroräumlichkeiten schaffen, schwindet. Daher sind Unternehmen noch mehr als bisher gefordert, eine Identifikation über Purpose, Wertschätzung, Führungskultur, Vertrauen, Teamspirit und Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen herzustellen, die über das klassische „Marken-Bewusstsein“ hinausgeht und sich in ihrem Gestaltungswillen und ihrer Sendung an gesellschaftlichen und globalpolitischen Aspekten orientiert. Daher sind auch physische Begegnungsräume neu und im Gleichgewicht mit den Bedürfnissen und Lebensphasen der Mitarbeitenden zu denken. Es ist Zeit dafür!
Haben Sie beim Lesen des Beitrags Impulse erhalten?