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Organisationsentwicklung | Agile Leadership

Agilität – Klassische Stolperfallen und wie Sie sie vermeiden.

von Alexandra Jelen und Sabine Walter, Head of netzwerk managementberatung | coaching

Viele Unternehmen, die agiles Arbeiten einführen, versprechen sich davon kürzere Entwicklungszeiten, innovativere Produkte oder eine geringere Time-to-market. Sie sind davon überzeugt, dass sie durch agiles Arbeiten schneller auf Veränderungen reagieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit halten oder wiederherstellen können. Soweit die Theorie. Die Praxis zeigt auch hier jeden Tag aufs Neue, dass mehr dazu gehört, als ein neues Organigramm zu malen und Mitarbeiter in Agile Coaches, Scrum Master und Product Owner umzubenennen.

Unternehmen, die bereits in Teilbereichen agil arbeiten, wissen mittlerweile, dass die neue Arbeitsform nicht per se ein Segen ist. Es gehört einiges an Einstellungsänderung, Planung und Zeit dazu, um die klassischen Stolperfallen zu vermeiden und wirklich den Nutzen aus der Agilität zu ziehen, den sich die Unternehmen versprechen. Wir geben einige Empfehlungen, wie Sie diese Stolperfallen vermeiden.

Agilitäts-Stolperfalle # 1: Erst pilotieren. Dann ausrollen.

Etablierte Unternehmen mit einer klassischen Organisation – meistens als Unternehmen der „Old Economy“ bezeichnet – führen agile Arbeitsformen oft zunächst in einzelnen Bereichen ein, z.B. in der IT oder im digitalen Produktmanagement. Sie verfolgen damit zwei Ziele: Zum einen wollen sie schneller innovative digitale Produkte entwickeln. Zum anderen wollen sie sich an die neue Arbeitsform herantasten.

Damit treten sie direkt in die erste Stolperfalle und spüren: Agilität trifft auf Hierarchie. Dies hat oftmals zur Folge, dass die Prozesse länger dauern als bisher, da sehr viel Zeit in Abstimmungen, Management von Unstimmigkeiten, Konflikten und unklaren Entscheidungsbefugnissen verloren geht. Darunter leidet die „User Experience“. Es bleibt zu wenig Zeit, sich mit der Bedürfniswelt der Kunden zu beschäftigen – einer Voraussetzung, um Produkte zu entwickeln, die der Kunde auch kauft.

Grundsatz: Agilität lässt sich nicht per Stichtag und nicht nur in Teilbereichen einführen. Agilität betrifft das ganze Unternehmen. Dieser kulturelle Wandel ist ein Veränderungsprozess. Die Einführung gelingt nur top-down. Die Haltung, die hinter der agilen Denk- und Arbeitsweise steht, muss vom Top-Management gelebt werden. Wie jeder Veränderungsprozess, braucht auch dieser Zeit.

Die ersten drei Schritte für alle, die darüber nachdenken, agiles Arbeiten einzuführen, sind:

  • Dezentrale Verantwortung statt Entscheidungshierarchie
  • Offene Kommunikation und Informationstransparenz statt einer „Wissen-ist-Macht-Haltung“
  • eine konstruktive Fehlerkultur

Agilitäts-Stolperfalle # 2: Agilität ist nur ein weiteres Management-Tool.

Agilität ist mehr als eine neue Arbeitsform mit neuen Arbeitsmethoden. Mitarbeiter und Führungskräfte spüren den Unterschied zu klassischen Organisationsabläufen vom ersten Tag an. 

Agilität ist eine Haltung, kein Werkzeug. Jemand, der agil denkt und handelt, ist in der Lage, das was in seinem Umfeld passiert, umfassend wahrzunehmen und situativ in sein Handeln zu integrieren. Er ist in der Lage, das zu tun, was in der Situation erforderlich ist.

Grundsatz: Je mehr Flexibilität und Kreativität im Prozess liegen, desto klarer müssen die Strukturen sein. Nur dann kommt es nicht zu Missverständnissen und Konflikten. Die Antworten auf die W-Fragen „wer“, „was“, „wann“ sind vor der Einführung der neuen Philosophie zu klären.

Agilitäts-Stolperfalle # 3: Menschen verändern sich auf Knopfdruck.

Die neue Denk- und Arbeitsform bringt viele Dinge mit sich, die für Mitarbeiter und Führungskräfte neu sind. Diese gilt es zu erfahren und zu erlernen. Nur so kann Vertrauen in sich, die neue Arbeitsform mit ihren Methoden, in neue Entscheidungswege und Entwicklungs- und Ergebnisprozesse wachsen.

Neu ist beispielsweise für Führungskräfte:

  • Entscheidungskompetenz und Kontrolle abzugeben
  • Vertrauen in Mitarbeiter und in den Prozess aufzubauen
  • Ggf. Status zu verlieren
  • Hilfe anzunehmen
  • Mit weniger Planungssicherheit umzugehen
  • Fehler zu tolerieren und Scheitern als Chance für Weiterentwicklung zu sehen

Neu ist beispielsweise für Mitarbeiter:

  • Selbstbestimmtes, selbstorganisiertes und ergebnisorientiertes Arbeiten
  • Permanente Transparenz der eigenen Leistung
  • Offene Kommunikation und regelmäßige Feedbacks, auch in Team-Settings

Wie am Anfang eines jeden Lernprozesses kommt auch bei diesem Lernprozess bei vielen Mitarbeitern die eigene Unsicherheit sowie Angst, gesteckte Erwartungen nicht erfüllen zu können, dazu.

Grundsatz: Nach unserer Erfahrung sind die Führungskräfte in dem kulturellen Wandel hin zu mehr Agilität genauso gefordert wie die Mitarbeiter selbst. Deshalb, liebe Führungskräfte, geben Sie Ihren Mitarbeitern und sich die Zeit, die dieser Prozess erfordert. Und nehmen Sie genau wahr, wie weit, Ihre Organisation schon ist. 

Unabhängig von der Einführung des agilen Arbeitens können Sie natürlich auch in einem klassisch geführten Unternehmen, wertvolle „Vorarbeit“ im Hinblick auf die neue Denk- und Arbeitsform leisten. Das ist beispielsweise:

  • Einführung einer konstruktiven Fehlerkultur
  • Stärkung der Vertrauenskultur und dadurch Reduzieren von Angst
  • Personenzentriertes, wertschätzendes Feedback geben, um Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen bei jedem zu stärken
  • Realistische Ziele im Rahmen eines Bottom-up-Prozesses zu vereinbaren
  • Ein „nein“ von Mitarbeitern akzeptieren und damit signalisieren, dass sie mündig sind, um z.B. Grenzen der Arbeitsbelastung zu setzen oder unrealistische Zeiträume aufzuzeigen
  • Kontrolle abgeben und Teamverantwortung definieren

Sie sehen, Agilität ist kein Selbstzweck, denn Agilität führt nicht automatisch zu mehr Innovationen, besseren Produkten und einer schnelleren Time-to-market. Es sind die Menschen, die agil denken und arbeiten. Der Kern des agilen Arbeitens ist die Haltung. Diese kann jedes Unternehmen leben, auch ohne das Wort „Agilität“ zu einem Stichtag auszurufen.

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